Erinnerungsstück

Geht es Ihnen auch so? Objektiv betrachtet ist es vielleicht nur ein Trinkglas. Aber für Sie ist dieses Glas oder diese Tasse oder dieses Geschirr Zeuge oder Zeugin einer Geschichte. Es aufbewahren, heisst, ein Andenken haben, wie wir im Dialekt sagen. Wie ist es da erst, wenn im Alltag etwas seine Funktion erfüllt, das ein Erinnerungsstück ist. Beim Umzug meiner Mutter ins Altersheim habe ich ein paar Schöpfkellen und anderes nützliches aber altes Küchengeschirr übernommen.
Aber jeden Tag, wenn wir es einsetzen, freuen wir uns daran. Und ichwerde erinnert an ein Haus, eine Umgebung, und vor meinem inneren Auge finden sich Menschen ein, versammeln sich um einen Tisch, schweigend, und doch erzählen sie mir so viel.
Erinnerungsstücke machen uns den Wert von Gegenständen neu bewusst. Indem wir sorgsam mit ihnen umgehen, werden wir dieser Erinnerung gerecht. Das entsprechende Verhalten hilft mit, eine Arbeit, die zu diesem Stück gehört, genau so sorgsam zu erledigen, und so wird in der Erinnerung eine Alltäglichkeit besonders, und zwar im JETZT. Diese Dinge brauchen keinen Wert, um unbezahlbar zu sein, und bei einem Einbruch oder Diebstahl ist jede Versicherung lächerlich, wenn sie verloren sind.
Unersetzbar sind alle einmaligen Dinge - und die einmaligen Erinnerungen. Ein simpler Kaffeelöffel, zu Millionen hergestellt, kann für mich dennoch genau der EINE sein.
Wie wäre besser zu fragen, was denn die tiefere Wirklichkeit der Dinge sein möge, wenn zwei Menschen einen Gegenstand so grundverschieden sehen können?
Ganz offensichtlich kann etwas nur einen Wert haben - und ihn behalten - wenn wir ihm diesen Wert geben und uns entsprechend daran erfreuen.
Was mich daran reicher macht als andere, fordert mich bei einfachen wie wertvollen Dingen erst recht heraus: Dieser in einer Sache liegende Wert ist eine Erinnerung, manifestiert, ja, fast materialisiert in diesem Objekt. Ich kann es hegen oder weglegen. Ja, auch das. Irgendwann mag eine Erinnerung verblassen. Wir legen sie in eine Truhe. Ganz davon trennen, das scheint uns nicht opportun. Ein Versuch, etwas festzuhalten. Warum muss der Abschied auch in Dingen wohnen?

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