Floskeln

sind Sätze, die wir wie Sprechautomaten sagen, genau so, wie wir sie schon so oft gehört haben. Vielleicht genau so automatisiert. Im Grunde sind sie die Missachtung jeder Chance zur Begegnung. Sie dokumentieren ein Desinteresse, aber bitte schön ohne ein Aufheben darum zu machen. Bleib mir im Grunde vom Leibe aber bleib mir gewogen, also merke es bitte nicht oder störe Dich zumindest nicht laut daran.
Floskeln sind tote Worthülsen, abgestossene Häute echter Information. Small Talk ohne Talk. Floskeln sind Bankrotterklärungen des menschlichen Umgangs. Wer sie spricht, glaubt sich vielleicht noch höflich, aber im Grunde ist er bereits Falschspieler. Das hat mit Freundlichkeit nichts zu tun, nicht mal mehr mit Höflichkeit. Die Floskel meidet das Fragezeichen. Sie meint immer den Punkt. Das Punktum. Ohne Brüskierung, aber endgültig, bitte schön. Da war zuvor im Grunde gar kein Anfang. Einfach nichts. Aber es musste darüber gesprochen werden.
Warum nur?
Es komme mir keiner mit Diplomatie. Damit hat das nichts zu tun. Eine Floskel ist auch nicht die Verfeinerung eines gesellschaftlich verträglichen oberflächlichen Umgangs. Es ist das davon Abgestorbene, das sich hartnäckig halten kann und damit noch trauriger wird.
Bis zum nächsten Mal also dann, möge dieses langmöglichst nicht eintreffen, auch wenn es unvermeidlich sein mag.
Hinter einer Floskel kann man gar hassen. Ohne dass man merkt, wie schäbig man sich selbst sieht dabei. Auch dafür kann man den anderen hassen, ohne dass er sich dagegen wehren oder etwas dafür könnte, wir haben ihn einfach so eingeteilt, er ist uns nichts wert, ärgert uns, nervt, wir mögen nicht mal wissen, warum, er arbeitet einfach auch "da", aber er nervt. Puntkum. Einen schönen Tag noch! und weg.
Das ist höflich? Vielleicht doch? Allenfalls seinem eigenen widersinnigen Unbehagen gegenüber. Mit was trage ich mich denn herum, den ganzen Tag, ausser mit mir selbst?
Tina B. - 2007.04.23, 06:39

Testfall: "Gesundheit"

Klasse geschrieben, Thinky!

Wir hatten im Betrieb mal versucht, in der Erkältungszeit auf das leidige Wörtchen "Gesundheit" zu verzichten, angestupst durch eine Fernsehsendung, die das für out erklärte.

Das Schweigen nach dem Niesen war aber noch schwerer auszuhalten als ein zwischen Zahlungsabläufen gedankenlos gemurmeltes "Gesundheit". Jetzt ist wieder alles beim alten. :-)

Auch die anderen üblichen Höflichkeitsfloskeln werden ausgetauscht; wenn man einen Vorteil darin finden will: ab und zu begegnet einem mal tatsächlich ein Lächeln und in einer Sternsstunde sogar echtes Interesse....

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