Lebenslauf

Manchmal werden wir aufgefordert, einen zu schreiben. Nur, weil wir einen Job haben wollen. Oder schlicht brauchen. Wir lernen, wie so was auszusehen hat, wie wir es auflisten, was hinein gehört, und was nicht, und was sich gut macht, was weniger.
Eigentlich eine Zumutung. Was geht es wildfremde Menschen an? Und doch listen wir auf, was wir gelernt haben, als würden wir uns Orden an die Uniform heften. Wir lernen, uns gut zu schreiben, und dabei machen wir vielleicht die Erfahrung, dass wir schon weniger oder schon mehr an uns geglaubt haben.
Wir sehen da Jahreszahlen stehen und Prüfungen, und vor unserem Auge läuft die Zeit ab, in der wir da lebten, die Haut, in der wir steckten, und wir fühlen vielleicht nochmals den Frust, der dazu gehörte, oder die Hoffnungen, die wir damit verbanden.
So ein Lebenslauf kann gar nicht nüchtern genug sein, dass er nicht ganz persönlich wäre. Und im Grunde bleibt er es ja auch, Gott sei Dank. Denn alle diese letztgenannten Dinge stehen nicht drin, im Rapport unseres Lebens. Aber der Arbeitgeber, die Kollegen, die Untergebenen wie die Chefs bekommen es geliefert, wenn sie mich anstellen. Alle meine Erlebnisse, Frust wie Lust, nehme ich mit in jede neue Lebenssituation.
Und darum ist so ein Lebenslauf in erster Linie eine stumme Liste unseres Lebens, eine Hülle, die nicht atmet, aber von einem Menschen erzählt, der genau das möchte, und Gott sei Dank muss jemand anders beurteilen, ob es mir gelingt oder nicht. Dumm nur, dass daran ein Job hängt und diejenigen, die entscheiden, das auch spüren, dieses Problem, und so hält man sich am Schluss eben lieber an die Orden auf der Uniform als an das Bauchgefühl über das Fleisch und Blut, das in der Uniform verpackt ist.
Wir enttäuschen oder erfüllen unsere Erwartungen am Ende ja auch immer selbst. Da sind wir autonom. Vor allem schon bei den Erwartungen angefangen. Denn nicht alle, die wir so rapportieren und herbeten, sind wirklich unsere eigenen, könnten es aber sein. Ja vielleicht sind sie es überhaupt nicht, sollten es aber werden.
Vielleicht möchte ich den Job gar nicht, und das beste daran ist der Lebenslauf, zu dem ich genötigt werde, den ich gar nicht aufsetzen möchte und zu dem die spannendste Frage lautet, warum ich es denn nicht möchte?
Der Lebenslauf ist eine Liste von Irrtümern, Fehlern, Misserfolgen, Enttäuschungen? Vielleicht. Aber er ist vor allem ein Leben. Und erzählt von seinem Lauf. Er erzählt, die wie ein Mensch von A nach B kommt, also das Auto, das er fährt, oder die Mittel, die er dazu sonst benutzt. Aber wer er ist, an diesen Zielen, auf diesen Etappen, das erzählt er nicht. Dazu muss man ihm begegnen. Und ich kann Dir dabei nur erzählen, was ich von mir selbst gelernt habe. Oder glaube. Indem ich Dich erahnen lasse, wo ich wirklich bin, und was ich erfahren, nicht nur angelernt habe, werde ich zum Mit-. Arbeiter, -Glied eines Teams. Bin ich eigenständig. Für Dich ein Treffer, oder auch nicht. Aber nie nur eine enttäuschte Erwartung.
Ich bin ein Wunder. Sie auch. Es lohnt sich, das weiter zu denken und nicht zur Utopie werden zu lassen. Denn immer ist es möglich, dass zwei Lebensläufe so zusammen finden, dass sie wirklich am gemeinsamen Punkt ankommen und sich dann weiterhelfen.

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Ein richtig guter Text!
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