Strand

Ich sehe zuerst nur eine Schaumkrone, die Welle, die sich überschlägt, in sich zusammen fällt. Unsichtbare Kraft, das Rauschen, als käme es von nirgendwo und verhallte stets ohne jemals zu verklingen.
Ich rieche Salz und ich fühle Sehnsucht. Das Meer und seine Weite - es fehlt mir in meiner alpenländischen Enge. Ich mag dabei vor allem den rauhen Charakter des Strandes. Karibik-Palmen haben da nichts verloren. Zum Rauschen gehören vielmehr Wolken - und kühle, klebrige Frische zwischen den Zehen, ein Wind, der an der Jacke ruckelt und zerrt.
Die Sonne steht wie eine Schlierenfäden zeichnende Fee hinter Milchglas am Horizont und bringt ein nächstes, anderes Wetter mit. Nirgends verspricht die Welt so viel ständige Veränderung und bleibt sich doch so gleich, wie eben am Meeresstrand. Ich fühle mich geerdet und blicke in die Ferne, ohne wirklich hinaus treten zu wollen. Es ist, als würde mir dieser Stand am Wasser, die wogende tiefe Weite vor mir erst verdeutlichen, wie schön es ist, eine Wurzel zu haben, die gleichwohl in der nächsten Ebbe fortgespült werden kann.
Ich stehe auf Treibsand. Da hocke ich mich lieber hin. Selbst der sicherste Boden lebt sich eben von uns fort, verändert sich, stirbt und wird neu, immer wieder. Warum legen wir Teer über die Erde? Wir können noch so schnell über sie hinweg fliegen, wir kommen doch nicht von ihr los. Wir verlieren sie vielleicht, aber wir gewinnen niemals etwas anderes.
Die Boote am Strand, wetterig genarbt, die Salzluft in Fruchen im Holz vergraben, Seetang an den blättrig abgespreizten Farbresten. Nichts ist für ewig, alles bleibt ein Werden und Gehen. Der Mond wartet schon über der Düne, die Sonne verbleicht im schwarz werdenden Wasser. Es ist Zeit für Nahrung. Und einen guten langen tiefen Schlaf.

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warum nicht mal etwas zynisch sein in dieser welt mit...
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