Nähkästchen

Aus dem Nähkästchen plaudern - was für eine passende Redensart: Nähkästchen, die ich kenne, haben kleine Schubladen, versteckte Winkel, Fadenspulen, die zuhinterst in einer Ecke mit einem letzten Rest genau die richtige Farbe bieten oder auch nicht. In einem Nähkästchen kann man wühlen wie in einer Damenhandtasche. So viel Nade und Faden braucht der Mensch seiner Lebtage nicht, aber es ist beruhigend, es zu haben. Nie würde man eine Nadel mit dieser oder jener Öse fortschmeissen. Vielleicht kommt der Stoff, der genau nur mit dieser Nadel bezwungen werden kann, noch ins Haus?
Derweil fallen mir die Knöpfe von den Hemden wie die Äpfel von den Bäumen, und dann ist der Gang zum Nähkästchen sehr weit. Wenn es aber, wie jetzt, auf dem Tisch steht auf der Terrasse, und das Sonnenlicht langsam die ersten Spulen, die oben aufgesteckt sind, erreichen wird und die Garne zu leuchten beginnen, dann hat dieses Kästchen und vor allem all sein Nippes etwas Heimeliges, Kuscheliges, und das Holz, aus dem es gemacht ist, hat eine Struktur, natürlich hat es die, denn alles an diesem Kästchen muss und will mir was erzählen.
Es gibt Nähkästchen für 3.90, die Sie Dir im Versand nachschiessen oder zu ein paar Tulpenzwiebeln als Bonus mit schicken, als müssten sie die Dinger los werden. Aber diese Kästchen meine ich nicht. Sie haben ein bisschen Sternfaden oder nicht mal das, und zwei drei Nadeln, gut genug für die Not aber bestimmt nicht wirklich brauchbar. Nein, ich meine die älteren dieser Dinge, die Du vererbt kriegst oder selbst zumindest nicht so leicht hergeben würdest, da musst Du tatsächlich schon unter die Erde kommen und definitiv keine neuen Knöpfe mehr brauchen, und dann wird jemand anders die kleinen Schubladen öffnen und bestimmt noch einen Faden finden, von dem Du gar nicht mehr wusstest, was nicht schlimm ist, nebensächlich gar, aber doch irgendwie schön.
Wahrscheinlich sind da auch die Ersatzknöpfe nicht weit, dieses Sammelsurium für die Not, das bestimmt viele Vorschläge bereit hält aber oft nicht den richtigen Knopf, den genau passenden, der als einziger wieder mal fehlt. Dann wählst Du einen andern aus, der dafür wenigstens einen besonderen Glanz hat oder eine besondere Politur.
Ich werde auch wieder mal einen Faden einfädeln, ich verspreche es, denn arbeiten tun wir beide nicht so gerne mit dem Kästchen. Hergeben aber ist nicht!

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