Geburtstag (40 Jahre plus 8)

10-Min-Gastbeitrag von paz


erst heute abend habe ich gemerkt, dass ich seit vierzig jahren acht
bin. grad während einer diskussionsrunde am fernsehen, ein
alt-achtundsechziger, welcher natürlich auch bücher über diese zeit
geschrieben hat, im geistreichen dialog mit dem fernsehmoderator. seine
äusserungen abwägend, sein schwerer kopf in seiner hand. gesucht hätten
sie damals, sagt er, nach modellen und organisationsformen oder
dingsbümsern, was weiss ich. ..."alles kluge köpfe, waren Sie"... sagt
der moderator, und der alt-achtundsechziger, der einige bücher über 1968
geschrieben hat, wiegt seinen schweren kopf bedeutungsschwer in seinen
händen, sagt wenig darauf, man will ja nicht....
na ja, sag ich, 1968 war ich acht jahre alt, meine eltern trieben sich
hin und wieder mit hippies rum, diskutierten auch nächtelang, sangen "we
shall overcome", und hörten musik bis in die morgenstunden, bis wir
kinder aufstehen mussten, unser frühstück selber machten, und uns zur
schule begaben. ich war in der zweiten klasse, hatte eine bildhübsche
lehrerin - fräulein irgendwie, in die sich mein damaliger busenfreund
patrick und ich natürlich auch prompt verliebten. "hello baby",
begrüssten wir sie mal, und sie wurde ein bisschen rot, und hat
geschmunzelt. im folgenden jahr war woodstock, ich neun, und habe mit
kartoffelstempeln ein leintuch zu einem dingbums entstellt, mit vielen
herzen, peace-zeichen, und gross woodstock darauf geschrieben,
beziehungsweise gestempelt. um was es eigentlich ging wusste ich nicht
genau, ausser dass es gegen krieg war, und gegen krieg war ich auch, nur
glaubte mir damals noch keiner.
dann gab es zwölf jahre später eine weitere jugendrevolution, da war ich
schon zwanzig, und es ging um ein alternatives jugendhaus. irgendwie
wusste ich nicht, weshalb sowas gut sein sollte, ich ging trotzdem
demonstrieren. das alternative jugendhaus war nicht so mein stil, ich
arbeitete bereits in einem alternativen restaurant-betrieb mit
basisdemokratischen werten und so. trotzdem ging ich auf die strasse und
hab heftig mitdemonstriert, bekam meine ladung tränengas und wasser ab,
war dabei.
an einer der demonstrationen nahmen wir einen waschbottich mit,
inklusive feuerstelle, und kochten bündner gerstensuppe. es war winterlich kalt, und die leute assen gerne friedlich
eine tasse suppe mit schinkenwürfeln und viel gemüse. auf dem
bürkliplatz war das, und erst noch kostenlos.
bündner gerstensuppe mit schinkenwürfeln und viel gemüse! vive la
revolution!

paz
Tina B. - 2008.03.31, 19:43

Flower-Power-Zeit....

Grundsätzlich finde ich die revolutionären Gedanken von damals nicht verkehrt, es hat sich nur mit der Zeit herausgestellt, daß nicht alles so umgesetzt werden konnte, wie es angedacht war. Wertevorstellungen kamen auf den Prüfstand, die verklemmte "Rolladen-Runter-Sexualität" wurde neu definiert, lange Haare sprossen bei Männlein und Weiblein, alles gehörte jedem, man wohnte in Kommunen oder WG´s zusammen.....Peace in aller Munde...

Die Ansätze waren gut und haben uns weitergebracht. Aber es hat sich alles mittlerweile relativiert. Es war keinesfalls ein "Rohrkrepierer" aber auch nicht der Startschuß einer neuen Zeit, die alles radikal umgekrempelt hätte. Vielleicht ein heftiger Sturm, der morsche Strukturen umwirft, und aufzeigt, was Bestand hat.

Die eigenen Kids (die ihre Eltern mit Vornamen ansprachen) tanzten einem auf der Nase rum, und man besann sich doch wieder auf allgemein gültige Spielregeln des Zusammenlebens.Das Thema "antiautoritäre Erziehung" ist doch auch längst wieder vom Tisch, oder?

Letztendlich hat jede Freiheit und jedes Nichtstun auch seinen Preis. "Sie säen nicht und ernten nicht und der himmlische Vater ernährt sie doch" ist zwar auch bei uns durch unser soziales Netz gültig, doch "ernährt sie doch" ist Definitionssache langt auch mir persönlich nicht. Ich will entscheiden können, wie mein Leben aussehen soll - mit dem entsprechenden finanziellen Hintergrund.

Mit der "freien Liebe" und alles gehört jedem sind auch viele nicht klar gekommen. Jeder Mensch ist ausgestattet mit einer Fülle von Emotionen, darunter auch Neid und Eifersucht und Selbstwertgefühl, und das läßt sich nicht so einfach außer Kraft setzen. Auch heute hat die Treue wieder nach Umfragen bei Jugendlichen in der Beziehung einen recht hohen Stellenwert.

Ich denke gerne an diese Flower-Power-Zeit, aber auch die anderen Phasen meines Lebens hatten ihren Reiz. Und ich lebe auch gerne JETZT.

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