Freitag, 6. April 2007

Kaminfeuer

Ein Kamin habe ich in jungen Jahren immer mit Erhabenheit des eigenen Hauses verbunden: Des eigenen, grossen Hauses. Wir hatten so was nicht. Es war eine Art Luxus, ein nobler Spleen, für den extra baulich zu sorgen eine kleine Extravaganz war, aber eine durchaus noble. Eine Art gesellschaftlich verträgliches Zeichen des Neureichtums.
Ansonsten war das Kaminfeuer, wenn schon, mit Kacheln umschlossen und bildete einen Ofen.
Heute ist das Kaminfeuer längst massentauglich und wird von vielen besessen, ohne benutzt zu werden. Macht ja einen Haufen Arbeit. Davor und danach zumindest, wenn es denn perfekt brennt, sonst eigentlich dauernd.
Männer zäuseln ja gern, aber da sie praktisch das Feuer erfunden haben, ist es einigermassen peinlich, wenn es dann überall raucht, nur nicht in erster Linie im Kamin. Vielleicht hat unsere Gesellschaft auch und gerade für die natürliche Attraktivität des Kaminfeuers möglichst peinliche zivilisatorische Kompensationen erfunden. Ich nenne mal zwei: Den Heizofen, der ein Kaminfeuer simuliert, das nicht gewartet werden muss. Und RTL plus, das doch tatsächlich immer mal wieder in der Nacht kein Pausenzeichen sendet, sondern die starr auf ein Kaminfeuer gerichtete Kameraeinstellung. Wenn sich das durchsetzt, stellen vielleicht auch Sie, werte Leser, früher oder später Ihren Fernseher in den Kamin.
Allerdings, immerhin, möchte ich festhalten, dass dieses Phänom schon wieder eine Art Befreiung darstellt. Im Zeitalter der hüpfenden oder auch schon mal hängenden Möpse, von denen auf dem Bidlschirm ein Haufen Telefonnummern ablenken, lässt sich bei RTL plus irgendwie wirklich viel besser einschlafen.
Wenn ich jetzt nichts vom Knistern und Knacken des Holzes, vom Geruch brennender Kohle, vom Flackern und Tanzen des Feuers geschrieben habe, so dass dieser Beitrag alles andere als ein romantischer war, so muss ich mir dazu eben sagen lassen: Auch ich bin ein Kind und Zeuge unserer heutigen Gesellschaft. Punktum. Ans Lagerfeuer muss ich mich drum eben mal an eine Safari in Botswana zurückdenken, und das mache ich jetzt auch - mit Hochgenuss.
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