Samstag, 14. April 2007

Erotikmesse

Schön, wenn es das gäbe. Und das meine ich ernst. Ja, ja, ich weiss, es "gibt" Veranstaltungen dazu. Zurschaustellungen könnte man es wohl auch nennen. Und natürlich wird darüber berichtet. Mann und Frau kann sich ja heute alles ansehen, also wird auch darüber berichtet. Aber wie? Und was gibt es denn wirklich zu berichten?
Die eigentlich fortschrittliche Handlung daran scheint mir mehr die offen gelegte Diskrepanz zu sein:
Was an die Öffentlichkeit gezerrt wird, will scheinen und glänzen, stellt sich dar. Das tut zwar Mode auch. Aber im Gegensatz zu unserer Koketterie des Verhüllens, haben wir beim Enthüllen alles andere als Stil entwickelt. Es scheint geradezu, dass wir, was "endlich" auch noch Thema wird, gleich mit dem Kübel ausleeren müssen, bevor wir uns die Finger verbrennen.
Mag sein, dass so manche(r) dadurch den Mut findet, sich Bedürfnisse einzugestehen.
Aber über Sex öffentlich reden ist schon schwierig genug. Ihn öffentlich zu verkaufen, oder auch nur die Hilfen für sein Erleben, ist fast schon zum Scheitern verurteilt. Mag ja sein, dass heute jeder(r) durch diese Messehallen schreiten kann, aber irgendwie ziehen doch die meisten den Kopf ein, wenn eine andere Kamera als die eigene auftaucht.
Was öffentlich wird, hier, soll ja auch nicht wirklich normal werden. Es sollte doch seinen Zauber behalten. Ob das die Gesellschaft wirklich möglich macht?
Eine Messe im eigentlichen Sinn, ach wäre das schön! Eine Lesung, die sich tatsächlich mit dem Lebensentwurf Liebe und Sex beschäftigt, ohne zu fäkalisieren. In einer anderen Zeit vielleicht, eines Tages.
So an die Öffentlichkeit gezerrt wird nicht wirklich alles besser. Es wird nur öffentlich kompliziert.
Und wenn ich dann kichernde Menschen durch die Gänge schlendern sehe am Fernsehen, dann soll das entkrampfend wirken?
Wir verballhornen alles. Ist einfach fürchterlich, finde ich. Wir reden alle Phänomene normal, und Lügen uns in die Tasche dabei. Mit den sexuellen Spielarten, die wir alle in den Mund und ins Bild nehmen, demaskieren wir genau das am Allerdeutlichsten. Denn selten sprechen so viele Menschen so viele Worte so hohl aus wie in diesem Fall.
Gedruckt, was sage ich, gefilmt wird es dennoch. Passt gut ins Nachmittags-Talk-Programm, und damit wird er uns definitiv genommen, der Sex, als intimes und damit verschwörerisch lustvolles Spiel für Erwachsene.

Lebensziel

Wenn mir jemand zu einem Stichwortvorschlag schreibt: " Was denkst du über..." dann berührt mich das (ich hoffe, nicht nur mein Ego): Es regt sich so was wie Verantwortungsgefühl: Es ist nicht egal, was Du schreibst. Es wird hingelesen. Ich vesuche dabei einfach, nicht zu verfälschen. Manchmal ist es gut, wirklich drauf los zu schreiben. Fast immer wohl, um die wahre Ehrlichkeit des momentanen Denkens fest zu halten...

Das, was wir "Lebensziel" nennen, ist doch sehr nah an unseren Erwartungen zu unserem Werdegang. 50% arbeiten in der Schweiz mit 40 nicht mehr im angestammten, sprich gelernten Beruf. Das Lebensprinzip ist also zu einem hohen Mass die Veränderung. Gelernt wird in Fortbilundungskursen die immerwährende Anpassung an Anforderungen. Und so ändern sich die Realitäten. Irgendwo war mal ein Wunsch...
Träume. Vorstellungen von einer Stellung, einer Befriedigung in einer Tätigkeit, einem intakten Umfeld, Beziehungen, die funtkionieren. Gefühle, die nicht unterdrückt werden. Eine Heimat, die ein Raum ist, der beschützt ist, in dem ich nicht denken muss, sondern fühlen und leben darf. Nicht fragen, wie wirke ich? Wissen, ich bin als ich gewollt. Ich bin genug.
Das ist für mich Lebensziel: Kein Ziel höher zu setzen als das eigene tiefste Bedürfnis nach Nähe zu meinem Kern. In meinem Jetzt nicht davon schweifen. Und gelassen sein mit mir und meinen Träumen zulächeln. Sie nicht verbittert verabschieden, wenn sie nicht eintreffen, sondern mich daran freuen, was ich gelernt habe, zu erkennen und zu schätzen.
Ein Lebensziel kann es sein, das Leben nicht nützen zu wollen, sondern es zu leben und zu befragen: Was will es mit mir? Was kann ich mit ihm?
Ein Leben wird nicht länger, nur weil ich weiss, dass seine Zeit begrenzt ist. Und würde ich nur bedenken, was ich alles verpasst habe, so könnte ich daran verrückt werden und würde erst recht nicht dahin kommen, wo ich hin will.
Wie soll ich wo hin, wenn ich gar nicht auf meinem eigenen Fahrzeug sitze? Was habe ich in einem Zug verloren, von dem andere sagen, dass ich damit fahren soll?
Wenn es einen Fahrplan für mein Leben gibt, warum mache ich mir dann Gedanken über das Morgen? Vielleicht sollte ich einfach den Morgen begehen, der ist. Jetzt gerade aufstehen und ins Bad gehen und dabei darauf achten, wie sich die Füsse Schritt für Schritt vor einander setzen. Wie ich noch ein bisschen schlurfe und taumle, schläfrig, wie ich bin. Und dann leise lächeln, wenn ich unter der Dusche merke, wie sich ein Zeh leicht spreizt, ohne dass ich was dazu tue, als möchte er sich subversiv am erfrischenden Nass freuen und ein bisschen für sich tanzen.
Vielleicht ist es das grösste Lebensziel, diese bewusste Wahrnehmung der morgendlichen Dusche wiederholen zu können. Gleich morgen früh. Das Schönste, was ich hier doch versprechen kann, ist die Gewissheit, dass - wenn mir das gelingt - mir morgen die nächste wirkliche Wichtigkeit ganz von allein einfallen wird. Ich kann ein Gefühl dafür bekommen, was mein Leben für ein Ziel hat. Und dass dieses Ziel immer gleich vor meiner Nase liegt. Und dass daraus auch wirklich grosse Dinge werden können - wer mag es bestreiten? Nur, ob das wirklich wichtig ist?

Leere

Jannas Stichwort gehört auch zu jenen, über die ich eh regelmässig nachdenke. Das birgt das Risiko, dass ich irgendwelche Schubladen aufziehe und leere, was hier ja nicht die Idee ist. Was hier durchaus zum Vorschein kommen soll, sind zuminest neue Schubladen, die unter dem spontanen sofortigen und fliessenden Schreiben zum Vorschein kommen.
Ich versuche es mit der Annäherung über ein Bild, das mir eben in den Sinn gekommen ist:
Das leere Glas. Ich kenne das Bild vom halb vollen Glas, das dann eben halb voll und nicht halb leer gesehen werden kann. Aber das leere Glas? Vorbei der Genuss, fern die Flüssigkeit, das Wasser, der Wein. Leere nur. Mangel. Die Leere, die wir fürchten, ist etwas ähnliches in unserem Zeitempfinden: Der Moment, wo die nächste Sekunde, der nächste Augenblick undenkbar wird, die Zeit stehen bleibt, die Sekunden wirklich verrinnen, im Boden versickern und das scheinbar Sinnvolle sich als leerer Tanz von Absonderlichkeiten manifestieren kann. Wenn uns nicht länger trägt, was wir als normalen Lauf des Lebens angesehen haben, wenn wir Sinnlosigkeit ausmachen, dann spüren wir diese Leere, die für uns eine Katastrophe ist.
Es liegt nicht in der Natur unserer westzivilsatorischen Kultur, dass wir in dieser Art Vakuum eine Befreiung sehen. Wir schreien nach dem nächsten Ziel, das uns wieder funktionieren lässt, nach den Menschen, für die es sich lohnt, zu sorgen. Nach dem Fokus, der uns vorwärts schauen lässt, und damit aus uns heraus.
Dabei wäre dieser erstarrte Moment, dieses scheinbare Vakuum die Gelegenheit, eine Blase aufzustechen und aus dem Vakuum frei fliessende Luft zu machen. Leere könnte bedeuten, den Gedanken, die plötzlich nicht mehr denken können, Zeit zu lassen, sie von diesem Zustand, diesem Innehalten neu werden zu lassen. Vielleicht können wir Menschen uns neu erfinden, nein finden, wenn wir die Leere, die am Ende eines Lebens droht, zuvor erleben, zulassen, abrufen, an uns heran lassen. Ausgebrannt sein, leer sein - der scheinbar protestierende Körper, streikend, meldet sich, schreit, hat Ansprüche, will nicht untergehen, sondern schwimmen im Meer der eigenen Seele, die nicht vorwärts rennen sondern in sich gehen möchte.
Wie wäre es schön, einmal, für nur einen ersten Moment, nicht denken zu müssen. Dem Verstand nicht alles überlassen zu müssen, sondern ein Empfinden zu begrüssen, das tief darunter ruht und vielleicht gerade diese Leere braucht, um gehört werden zu können!? Sie ist eine Chance, diese brutale, drohende, schwarze oder kalte Botschaft, die, wenn wir uns auf sie einlassen, plötzlich nur noch bestimmend, mahnend, abgedunkelt (die inneren Augen schärfend) und kühlend empfunden werden muss. Wie ist es mit der Leere, die ausgehalten werden kann? Sie verändert sich. Diese Wandlung begründet eine tiefe innere Stärkung.
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Ein richtig guter Text!
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