Sonntag, 1. Juli 2007

Imageverlust

Ein Image geht verloren. Was schreibe ich? Wir reden hier ja schon von Verlust, wenn das Bild nur schon angekratzt ist. Unsere Bedeutung in Bildern, die von uns gezeichnet werden, die uns gefallen und nach denen wir uns längst ausrichten, weil uns dieses Bild, Gemälde von uns selbst recht ist. Wir werden gern so gesehen. "So", bedeutet bedeutungsvoll, geachtet, akzeptiert, vor allem aber wahrgenommen, lieber noch bewundert. Wir haben die Antennen ganz weit ausgefahren - und jetzt schepperts und kratzt es im Lautsprecher, und das Lachen, das doch immer so schnell kam, ist plötzlich hämisch und gemein.
Der Vorhang lässt sich nicht schliessen, und Du stehst auf der Bühne, die eben noch Applaus versprach, und nun kannst Du Dich nicht vor den Pfiffen verkriechen.
Dabei wäre der Verlust ja nur das Kleid, das Kostüm, das eh nicht zu mir passte, das mir zu eng wurde oder zu weit blieb, das mir Energie absog, mich band, und mag es auch mit goldenen Schleifen gewesen sein.
Imageverlust ist vielleicht eine Blamage, aber sie betrifft im Grunde nur das Ego, und so gesehen kann es auch eine Gnade sein, dies früher zu erleben als auf der letzten Ruhestätte.
Wer jetzt bei mir ist, hat nicht mein Bild geliebt, sondern mich dahinter gesehen und mir vielleicht mehr von dieser Nacktheit gewünscht, nicht um mich zu verspotten, sondern um mich zu spüren.
Das Abwenden anderer macht das Zuwenden meiner selbst zu mir notwendig, denn nun geht es um mein Leben. Das Überleben in einer Stellung funktioniert vielleicht nicht mehr. Zum Glück am Ende, auch wenn es ein Drama bleibt, dass es so weit kommen musste.
Dabei wünschen wir uns doch Identität mit dem Bild von uns. Und doch sind wir immer anders, als wir gesehen werden.
Was verlieren wir da also, und wann gewinnen wir?

Distanz

Aber nein, nahe ran gehen wollen wir doch und an uns heranlassen sollen wir die Menschen. Das Leben ist kurz und pulsiert und soll Freude machen und Lust. Da ist Distanz Reserviertheit, Zurücksetzung des eigenen Wünschens.
Distanz ist die bekannte Strecke zwischen zwei Punkten. Oder von meinem Standort zum Horizont. Eine nicht nahe Wegmarke, die erst noch erreicht werden muss. Habe ich zu etwas Distanz, so kann ich es betrachten, ja gar beobachten. Ich habe nicht das gleiche Tempo. Ich kann etwas ziehen lassen oder auf mich zukommen lassen. Mir bleibt Zeit. Und Übersicht. Distanz gibt mir oder erhält mir meine Macht. Meine Selbstbestimmung. Keine Vereinnahmung. Es braucht mein bewusstes Wollen für mehr Nähe.
Distanz ist aber auch eine Entfernung, die in sich schon das Sehnen oder zumindest das Fragen nach dessen Überwindung trägt. Gelingt es nicht oder entsteht nicht einmal mehr der Wunsch danach, so ist der Grat zwischen Einsamkeit und Alleinsein schmal.
Distanz kann sehr leicht arrogant wirken. Und wird so reflektiert, durch Reaktion zementiert. Distanz kann zu Zurückweisung führen, in die Isolation, in Abgeschiedenheit und Stille.
Distanz erleichtert Objektivität. Die Beobachtung seiner selbst. Dies ist die Distanz, die Gelassenheit fördert, und das Staunen über sich selbst lehrt, die stille Freude am Wunder des eigenen Wesens. Distanz ist ein Durchatmen, dem ein Dankeschön folgen kann an den Schöpfer. Ein Verwundern darüber, wie gut die Dinge sind, so wie sie sind. Die Zeit rennt plötzlich nicht mehr, sie misst nicht länger als einziges Mass unser Wahrnehmen und Erleben.
Warum nur habe ich gerade diesmal genügend Zeit, den Schlusspunkt zu setzen, mich abzusetzen unter dem Text, in die Distanz, um ihn zu lesen, mich zu lesen?
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