Donnerstag, 12. April 2007

Entschuldigung

Die einen bringen das Wort nie über die Lippen, die anderen entschuldigen sich für alles, auch ganz ohne Grund. Deren ganze Anwesenheit scheint ihnen manchmal wie ein Irrtum zu erscheinen. Sie machen so lange, bis Du es glaubst, und genau dann magst Du überhaupt gar nichts mehr entschuldigen...
Eine Entschuldigung auszusprechen, wenn man einen Fehler gemacht hat, kann aber auch eine wahre Kunst sein. Fehler im mitmenschlichen Umgang passieren uns ja leider nicht nur mit Menschen, die wir mögen. Ganz im Gegenteil. Wie nahe liegt es da, eine Entschuldigung zu unterlassen. Der andere ist ja eh ein Giftsack, und ich könnte ja Dinge aufzählen, die gehen auf keine Kuhhaut. Aber hier und jetzt trifft ihn etwas von mir, das falsch war und ist und nicht besser wird, wenn ich es totschweige. Ganz im Gegenteil. Es wächst sich zu einem Geschwür aus. Zumindest meldet sich der Stachel immer mal wieder, wie ein Holzspan, der durch die Hornhaut die Weichteile erreicht. Gewisse Griffe unterlässt Du dann einfach. Eine Hand wird nutzlos, ein Finger... Eine unterlassene Entschuldigung ist wie ein Sandkorn im Getriebe. Es kann tiefer rutschen und zum Kolbenfresser werden. Man müsste nur mal schnell den Motor abschalten und gleich anfügen, dass man dafür selbst die Verantwortung trägt, und sagen: Es tut mir leid.
Was für eine Waffe das ist für unser Seelenheil. Es kann so stark und souverän werden in uns, dieses erlösende Gefühl, dass kaum mehr eine Rolle spielt, ob die Entschuldigung angenommen wird. Ob sie aufrichtig gemeint ist, wissen wir ja eh selbst am besten.
Dein und mein Gewissen - wie oft schon haben wir geflucht, dass wir offensichtlich mehr Gewissen haben als der scheinbar Rücksichtslose neben und vor allem vor uns? Warum lässt sich diese imaginäre Fussfessel nicht abschütteln oder wenigstens ignorieren?
Wahrscheinlich sind die, an welchen wir unsere Fehler machen, immer auch unsere Lehrer.
Der Schüler bleibt im Grunde souverän. Je mehr er lernt, um so besser wird er wissen, was er sich wirklich verinnerlichen muss.
Und so lerne ich, mit meinem Gewissen umzugehen. Ich schütze es oder ich begradige es, in dem ich es frei mache vom Ballast falsch verstandener Wohlgefälligkeit. Die Stachel, die ich aber vielleicht setzte, vermag ich sehr wohl zu erinnern und deren Wirkung auch zu erfühlen - und sie mögen ihre Wirkung haben, aber für was? Was relativiert sich alles so oft in nur schon ein paar Minuten...
Es gibt zur angebrachten Entschuldigung keine Alternative. Höchstens noch einen zusätzlichen Lernauftrag: Das nächste Mal bedenken, was das gesprochene Wort, das Geschriebene, die kleine Tat alles bewirken mag. Aber bitte nicht so sehr, dass Sie vorausschauend alles unterlassen, was irgend eine Wirkung haben könnte. Denn parallel zu Ihrer Besonnenheit ist der Verletzte auch in der Lage, seinerseits Abstand zu gewinnen und sein eigenes Fordern immer auch für sich selbst an sein eigenes Ich zu richten...

Potenzstörung

Auch weia, Tina, da hast Du mir ja was eingebrockt...

Wenn da wenigstens nur stünde: Potenz. Punkt. Aber es geht explizit um die Störung. Was es mir erlaubt, zuerst einmal darüber zu lamentieren, wie ungerecht es verteilt ist mit der männlichen und weiblichen Lust: So offensichtlich, wie unser Unvermögen zur Schau getragen werden muss. Aber die Natur dürfte doch auch sich etwas dabei gedacht haben, denn könnten wir unsere Unlust in uns verstecken und so tun als ob, auch hier, dann würden wir wohl überhaupt nicht über uns und unsere Bedürfnisse reden, geschweige denn über Ängste...
Ist eine Potenzstörung eigentlich per se eine Störung? Könnte sie dem Manne nicht auch eine Hilfe sein, ein gütig auferlegter Zwang, sich seiner Sexualität und der körperlichen Begegnung anders als über den direkten Beischlaf zu nähern?
Und dann bin ich mir gleich nicht mehr so sicher, wie das denn heute sein mag, in der Welt der bestimmenden Generation, von der ich ganz andere Töne lese, forschere, zumindest in der Werbung, von Frau, die weiss was sie will, und es auch fordert. Au weia.
Es ist traurig bestimmt um die Geschlechter, wenn die Masten alle in Hab Acht stehen und niemals brechen sollen. Aber sie tun es, immer mal wieder, und das muss nicht schlecht sein, wenn es auch hilflos machen mag.
So genau weiss ich da nicht Bescheid, in meinem Biotop einer geschützten Vertrautheit, in der ich zu zweit ich selbst sein darf und das wichtigste an der körperlichen Kommunikation die Umarmung ist, das Bei-einander-sein.
Das teuflische Stiefbrüderchen der Potenzstörung ist doch die Erwartung, und welche menschliche und insbesondere männliche Erwartung basiert noch mehr auf Desinformation oder schamhafter Lüge der anderen und einem selbst, wenn irgendwo über Sex gesprochen wird. Das immerhin tun wir ja heute fast alle, oder wir tun zumindest so... Das geht dann eben leider unter dem Bettlaken nicht mehr...
Es kann doch einfach mühsam sein, immer die Brust raus strecken zu müssen, den dicken Max markieren, sprichwörtlich, und dabei stets den tradierten Bildern folgen, die man intus hat. diese Imitationen des Männlichen, mit den Bubenaugen und -köpfen aufgesogen, unbewusst, immer im fatalen Missbehagen, dass die Emotion sich irgendwie nirgends hinpacken lässt, wo sie auch jederzeit ausgepackt werden darf...

Willkommen im Klub, rufe ich, Ihr perfekten Hausfrau, Mütter und Gespielinnen in Personalunion, packen wir Euch zu unseren eigenen Ängsten unter unser Bettlaken, und dann brüten wir das in der Umarmung zusammen aus und sind doch einfach dankbar, dass wir nicht Übermenschen sein müssen noch über den Menschen stehen, sondern zwei ganz normale Exemplare unter ihnen sind, vielleicht ein bisschen gelassener sogar gegenüber den Regungen, die auch mal ausbleiben und andere ankündigen. Wenn wir nur genug Zeit haben, und wir haben sie alle, dann können wir uns doch einfach überraschen lassen vom Tag und eine neue Neugierde lernen. Auf alle Facetten. Bei Lichte und im Dunkeln.

Ist da ein Zauber? Dann genug jetzt der Worte, ich möchte statt dessen auf meine Gefühle horchen - und nicht nur auf die meinen.
Es ist so furchtbar schön, getragen zu werden...

Vergebung

Ach je, Caro, so bedeutungsschwere Worte lassen sich in zehn Minuten doch gar nicht reinpacken, aber welches Wort ist dafür schon klein genug. So will ich denn noch so gerne auch hierzu mit Lust mich eindenken und ein paar Dinge andenken:

Vergebung ist verzeihen? Vergessen?
Eine gewaltige Aufgabe, die das Schwierigste bereits in sich trägt:
Ein Leid ist erfahren, es quält, es pocht und sticht und schmerzt, und kann nicht vergessen werden. Wir verdrängen, schieben ab, suchen einen Ort, an dem wir es hinlegen können, das Erlittene, und irgendwann können wir uns ein bisschen entfernen, dann eine Tür dazwischen legen, die wir nicht alle fünf Minuten wieder öffnen, dann, irgnedwann, drehen wir vielleicht gar einen Schlüssel um. Aber das Leid, das Unrecht behält seinen Raum, ist Tei meines Hauses, gehört zu meiner Geschichte. Die Zeit hält alle Wunden, heisst es. Leid aber, das wir mit Menschen in Verbindung bringen, zuordnen können, hat einen Urheber, den wir anklagen, den wir verantwortlich machen. Dies ist Erschwernis und Chance zugleich. Wir können einen Dialog führen, stumm oder laut, flüsternd oder schreiend. Er wird vielleicht nicht gewollt, dieser Dialog. Er wird vielleicht verwässert, verneint. Aber in jedem Fall ist da ein Lehrer in diesem Leid, an dem ich mich reiben kann. Und wenn es mir gelingt, mich zu lösen, mein Klagen nicht in Anklagen und dann in ein Erzählen zu verwandeln, bis ich Mensch und Leid Teil meiner Geschichte werden lassen kann, dann kommt der Moment, wo ich verzeihen und vergeben kann. Es liegt darin eine Freiheit, die da beginnt, wo das Verdrängen nicht mehr notwendig ist und das Vergessen nicht sein muss (was eh nicht gelänge). Wenn das Leid erinnerte Erfahrung wird, aus der neue Schritte auf einem Weg wurden.
Vielleicht werden wir gar um Vergebung gebeten, können unsere innere Befreiung verschenken, und helfen dadurch mit, dass sich das Leid teilt und seinen Schrecken verliert.

Linksverkehr

Ob rechts oder links rum - was ist verkehrt, wenn es verkehrt? Wo Menschen mit verschiedenen Tempi oder in verschiedenen Richtungen unterwegs sind, braucht es Regeln für die Begegnungen, die keine sind... (oder werden sollen). Was wir uns gewohnt sind, wird, ist "die Regel". Sie gibt uns Sicherheit. Wir können sie auch reklamieren. Was für mich gilt, soll für alle gelten - und kann durchgesetzt werden, weil es vernünftig ist.
Plötzlich in den Linksverkehr geworfen zu werden, kann problematisch sein. Netterweise sind die Steuerräder auch anders rum angeordnet, so dass sich das Raumgefühl an bestimmten gleich bleibenden Abständen orientieren kann (Bezug des Fahrers zur Mittellinie). Das hilft zur Orientierung und Angewöhnung, bei der man das Vertraute sucht. Aus dem Blechkäfig ist das übrigens einfacher als z.B. als Radfahrer. Es ist nicht zu empfehlen, "aus dem Stand" mit einem rechtsverkehrs-gepolten Hirn per Zweirad links fahren zu wollen. Das kommt dann gern verkehrt raus und ist angesichts der fehlenden Knautschzone ist der Lernprozess schmerzhaft. Also besser in der Masse der Fussgäner mitgehen oder das Taxi nehmen.
So oder so: Erstaunlich, wie schnell man sich umgewöhnt. Es gibt für so viele Alltagsdinge nur das Gewohnte, aber nicht das Normale. Nicht schlechter noch besser ist die eine oder andere Regel, auf jeden Fall dann, wenn sie respektiert wird. Und wie steht es mit dem allgemeinen Chaos? Autofahren in Kairo hat nur die eine Regel: Dass sie, wie sie auch immer heissen mag, ignoriert wird. Darum fahre ich an solchen Orten grundsätzlich nie selber. Hat's gekracht, beginnen sonst womöglich plötzlich Regeln zu gelten, die ich mir nicht träumen liesse...
Regeln verheissen Sicherheit, Verlässlichkeit, und es ist ein dummes Gefühl, wenn man von sich weiss, dass man sie entweder nicht kennt oder sie noch lernen muss. Du bewegst Dich unter vielen eigen, fremd. Die Unsicherheit der Fremden unter uns, wie gut wäre sie doch zu verstehen! Deshalb sollten wir, wann immer wir erkennen, dass jemand die Scheu überwindet, nach Hilfe zu bitten, diese auch geben - und ein bisschen Geduld und Zeit mit hinüber geben, damit die bei uns geltenden Mittelstreifen und Richtwege verständlicher werden.
Auch im Linksverkehr gibt es übrigens Stopp-Signale. In der normalen Hetze sind sie ärgerlich, zeitraubend. Vielleicht. Wenn Du als Fremder in der Stadt etwas suchst, ob linksrum oder rechtsrum, so ist ein Stoppschild unter Umständen ein Segen. Einen Moment die Bewegung anhalten, um den eigenen Stand zu orten und das neue Ziel zu finden...
  • Ich danke der Stichwortgeberin Caro
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