Mensch

Dienstag, 18. Dezember 2007

Flamme

Gehört zur Kerze wie zum Waldbrand. Einmal wärmt, dann brennt sie. In ihrem lieblichen Schein liegt alle Kraft der Wärme und der Zerstörung. Ein Sinnbild aller natürlichen Erscheinungen, der Grundelemente Wasser, Erde, Luft, Äther zumindest...
Wenn ich aus sicherer Distanz in eine Flamme blicke, dann löst sich mit der Zeit das scharfe Bild auf und Farben und Lichtpunkte beginnen davor zu verschwimmen. Und dennoch bleibe ich ruhig, obwohl fehlende Konturen doch fehlende Orientierung bedeuten würde. Doch die flammende Welle, zerbrechlich und doch mit aller Kraft in sich, leuchtet in mein Inneres, führt mich weiter als bis zum Rand meiner Augen. So, dass es keine Rolle mehr spielt, ob ich sie offen halte, oder schliesse.
In mir ist keine Ruhe. Ich schreie sie herbei und mache damit die Leere zu einem lauten Hallen. Die Gedanken springen, gebärden sich wild wie unbezähmbare Raubtiere.
Ich muss sie gewähren lassen und meinen Atem der Kerze anpassen. Sie könnte ausgehen... Eines Tages wird sie es. Wie mein Leben.
Worin liegt ihr Ursprung? Im Docht? Quatsch natürlich. Docht wie Wachs nehmen nur ihre Bestimmung an, leben nur, wenn sie abbrennen, schmelzen.
Werden und Vergehen - vielleicht ist es mit das Schicksal der Traurigkeit der Menschen, dass wir uns stark damit beschäftigen, wo und wie das Neue entsteht, und überhaupt nicht damit, wie das Alte zu Ende gebracht werden muss und soll.
Wir nehmen neues Leben an und wollen das alte nicht abzugeben wissen.
Wir kennen die Symbolik vom ewigen Licht. Dabei vergessen wir, dass auch dieses ohne Schatten nicht zu sehen wäre.

Wenn die Gedanken müde sind und die Kerze ihr Flackern aufgibt, ruhig brennend, zehrend und Sauerstoff nehmend die Schatten zurück drängt, ihr Tanzen beendet, dann wird mein Kopf kühler, die Gedanken jagen sich nicht mehr, ich kann sie gehen lassen, bis sie nicht wieder kommen, und die Ruhe breitet sich tatsächlich aus.

Donnerstag, 23. August 2007

Lebensfreude

Sollte sie nicht selbstverständlich sein? Ist es nicht traurig, dass wir das Leben irgendwie manchmal wieder lieben lernen müssen?
Wie hat das eigentlich angefangen, dieses Fragen nach dem Glück, das Suchen Müssen?
Das Herz schlägt doch auch ungeachtet des Gemüts, braucht keine Motivation, tut ungefragt seinen Dienst.
Nun, um als Wunder erkannt zu werden, braucht dieses Herz unsere Fähigkeit zum Staunen. Zur Freude eben. Zur Begeisterung.
Wir lassen uns antreiben von Regung, Gefühl, unser Denken begründet eine Stimmung. Wir leben in den wechselseitigen Beziehungen unserer Sinne zu einander freudig oder betrübt, gefangen in einer Art gedanklich-psychischem Hormonhaushalt, sicher in Wechselwirkungen mit unserem Körper stehend - aber in einer Art Verantwortung des Denkens, die ausserhalb rein biologischer Prozesse steht.
Für uns stellt sich die Sinnfrage. Was bei einem Tier Instinkt ist, ist bei uns nicht verschwunden, funktioniert aber in mancherlei Hinsicht nur unterschwellig. Unser Instinkt wird hinterfragt, bewertet. Wir stellen Fragen, die über den Instinkt des Überlebens hinaus gehen. Wir sind wohl die einzige Spezies, die ihren Lebenssinn nicht in der Zeugung und der Aufzucht von Nachkommen erschöpft sieht.
Wir funktionieren zwar auch nach allgemeinen Regeln, sind Teil davon. Aber wir müssen sie bejahen, annehmen und ihnen den Sinn erst geben. Zumindest, wenn wir ehrlich sind.
Wir haben oft wenig Existenznot, die Ängste vielleicht, aber das ganz harte Überleben ist meist nicht angesagt.
Glück erschöpft sich nicht im Finden von essbaren Waldbeeren. Glück muss bei uns im Überfluss des Notwendigen Bestand haben.
Das gibt uns die Gelegenheit, weiter zu sehen.
Lebensfreude ist Lebensannahme. Bewusstheit. Staunen. Dankabarkeit. Und damit eben auch die Erinnerung und das Wissen, dass auch wir Teil der Natur sind, und das schlagende Herz eine Gnade bleibt, auch wenn ich ihm nicht Sorge tragen muss - oder nicht so sehr.
Würde ich zu wenig Waldbeeren finden - ich sässe nicht an diesem Text. Zehn Minuten an der Wärme - ohne Not.
Wie ist das Leben schön! Und wie möchte ich es mit Lebensfreude für mich und andere noch schöner machen!

Samstag, 11. August 2007

Gratwanderung

An keinem anderen Ort hat man einen so guten Überblick und eine so gute Fernsicht wie auf einem Grat - und nirgends ist es so wichtig, den Blick vor allem auf den nächsten Schritt und damit auf den Boden vor sich zu richten...

Die Aussicht geniessen - das sollte man also stehenden Fusses tun, während einer Rast, wenn der Boden Sicherheit gibt und der Wind einem nichts anhaben kann.

Gratwanderungen sind nichts für Übermütige. Sie erfordern oft ein Risiko, und nicht immer ist dieses Risiko die Mühe wert.
Manchmal führt aber auch kein Weg am Grat vorbei. Dann heisst es, auf die eigene Balance vertrauen, sich seiner Schwächen, aber auch seiner Stärken bewusst sein. Den Blick nicht in die Tiefe richten, sondern auf das Ziel fokussieren, die Füsse vor einander setzen, nicht hastig, nicht zögerlich, zügig, tastend, behende, ausbalanciert mit dem ganzen Körper:

In der Gefahr sind alle unsere Sinne und Fähigkeiten auf die eine Aufgabe fokussiert. Am Ende, am Ziel kann der Stolz gemischt werden mit der Dankbarkeit, dass alles gut gegangen ist.

Gratwanderungen und Seiltänze, die nicht nötig sind, bieten vielleicht einen Kick - aber sie kommen mir immer auch vor wie eine unverantwortliche, egoistische Herausforderung des Geschicks. Und am Schluss lacht man allen glücklichen Umständen ins Gesicht und fühlt sich unbesiegbar. Hasardeure sind mitten in der Natur meilenweit von derselben entfernt. Sie schleppen ihre eigenen Defizite an Lebendigkeit in die Berge, befestigen sie notdürftig an Seilen oder Fallschirmen und lassen sich fallen...

Zuhause recken sie die Hälse auf der Suche nach der Bewunderung.

Da bin ich lieber der Wanderer, der im Schatten des Grates dem Wind zusieht, wie er über mich hinweg pfeift und in der Nähe die Wolken fort schiebt.

Dafür hege ich aufrichtige und sehr kindlich-glückliche Bewunderung...

Sonntag, 5. August 2007

Heimkehr

Das Ankommen am Ort, wo man nicht nur weiss, dass einem aufgetan wird: Man kann hinter sich schliessen. Man besitzt den Schlüssel, hat Einlass, wird gar empfangen, erwartet vielleicht, umarmt. Von Düften, Gerüchen, Erinnerungen, von Emotionen und Menschen, wenn man ganz glücklich ist.

Heimkehr ist auch, wenn scheinbar alt Vertrautes neu wahr genommen wird. Die Abwesenheit wird zum Freund im Erkennen, wie sehr daheim ich an diesem Ort bin. Heimkehr ist also das neue Gewahrwerden des Glücks der kleinen eigenen Welt. Heimkehr ist der Moment, in dem ich nichts mehr bewegen muss und ich auch selbst zur Ruhe komme.

Heimkehr kann bedeuten, dass ich merke, wie krank ich bin - oder wie glücklich ich mich schätzen darf. In jedem Fall aber ist es eine Hinwendung zu mir. Heimkehr ist Einkehr ohne Egotrip. Die Heimkehr ist nie die Gipfelerstürmung, sondern die Ruhestätte, die in sanfte Hügel eingebettet ist, in eine Landschaft, die die Zeit fliessen lässt und einen doch in der Gegenwart belässt.

Heimkehr ist der virtuelle Stopp für meine Gedanken, das Nachtlager meines Lebens, oft aber viel mehr, nämlich die Voraussetzung für das Neue, die Hilfe für die Klarheit, das Erkennen der Wurzeln.

Und die Reise, wie sie auch immer ausgesehen haben mag, ist zu einem Ende gekommen, ob erfolgreich oder nicht. Ich erreiche einen Punkt, den ich schon kenne, oder werde auf ihn zurück geworfen. Und doch ist bei allem Wiedersehen doch erstaunlich, wie anders alles sein kann mit meinen gewandelten Augen und Sinnen.

Mein Ort ist Reflektor meines Seins, meiner Bilder, meiner Wahrnehmungen. Hier atme ich am ruhigsten - und am tiefsten.
Heimkehr - ist das Erfüllung jenseits aller Zielvorgaben und Erfolge, diesseits allen Begehrens, das plötzlich nichtig wird und schal. Hauptsache daheim. Für einen Moment das Gefühl haben, angekommen zu sein. Und bleiben zu dürfen. Willkommen zu sein bei sich selbst.

Sonntag, 1. Juli 2007

Imageverlust

Ein Image geht verloren. Was schreibe ich? Wir reden hier ja schon von Verlust, wenn das Bild nur schon angekratzt ist. Unsere Bedeutung in Bildern, die von uns gezeichnet werden, die uns gefallen und nach denen wir uns längst ausrichten, weil uns dieses Bild, Gemälde von uns selbst recht ist. Wir werden gern so gesehen. "So", bedeutet bedeutungsvoll, geachtet, akzeptiert, vor allem aber wahrgenommen, lieber noch bewundert. Wir haben die Antennen ganz weit ausgefahren - und jetzt schepperts und kratzt es im Lautsprecher, und das Lachen, das doch immer so schnell kam, ist plötzlich hämisch und gemein.
Der Vorhang lässt sich nicht schliessen, und Du stehst auf der Bühne, die eben noch Applaus versprach, und nun kannst Du Dich nicht vor den Pfiffen verkriechen.
Dabei wäre der Verlust ja nur das Kleid, das Kostüm, das eh nicht zu mir passte, das mir zu eng wurde oder zu weit blieb, das mir Energie absog, mich band, und mag es auch mit goldenen Schleifen gewesen sein.
Imageverlust ist vielleicht eine Blamage, aber sie betrifft im Grunde nur das Ego, und so gesehen kann es auch eine Gnade sein, dies früher zu erleben als auf der letzten Ruhestätte.
Wer jetzt bei mir ist, hat nicht mein Bild geliebt, sondern mich dahinter gesehen und mir vielleicht mehr von dieser Nacktheit gewünscht, nicht um mich zu verspotten, sondern um mich zu spüren.
Das Abwenden anderer macht das Zuwenden meiner selbst zu mir notwendig, denn nun geht es um mein Leben. Das Überleben in einer Stellung funktioniert vielleicht nicht mehr. Zum Glück am Ende, auch wenn es ein Drama bleibt, dass es so weit kommen musste.
Dabei wünschen wir uns doch Identität mit dem Bild von uns. Und doch sind wir immer anders, als wir gesehen werden.
Was verlieren wir da also, und wann gewinnen wir?

Distanz

Aber nein, nahe ran gehen wollen wir doch und an uns heranlassen sollen wir die Menschen. Das Leben ist kurz und pulsiert und soll Freude machen und Lust. Da ist Distanz Reserviertheit, Zurücksetzung des eigenen Wünschens.
Distanz ist die bekannte Strecke zwischen zwei Punkten. Oder von meinem Standort zum Horizont. Eine nicht nahe Wegmarke, die erst noch erreicht werden muss. Habe ich zu etwas Distanz, so kann ich es betrachten, ja gar beobachten. Ich habe nicht das gleiche Tempo. Ich kann etwas ziehen lassen oder auf mich zukommen lassen. Mir bleibt Zeit. Und Übersicht. Distanz gibt mir oder erhält mir meine Macht. Meine Selbstbestimmung. Keine Vereinnahmung. Es braucht mein bewusstes Wollen für mehr Nähe.
Distanz ist aber auch eine Entfernung, die in sich schon das Sehnen oder zumindest das Fragen nach dessen Überwindung trägt. Gelingt es nicht oder entsteht nicht einmal mehr der Wunsch danach, so ist der Grat zwischen Einsamkeit und Alleinsein schmal.
Distanz kann sehr leicht arrogant wirken. Und wird so reflektiert, durch Reaktion zementiert. Distanz kann zu Zurückweisung führen, in die Isolation, in Abgeschiedenheit und Stille.
Distanz erleichtert Objektivität. Die Beobachtung seiner selbst. Dies ist die Distanz, die Gelassenheit fördert, und das Staunen über sich selbst lehrt, die stille Freude am Wunder des eigenen Wesens. Distanz ist ein Durchatmen, dem ein Dankeschön folgen kann an den Schöpfer. Ein Verwundern darüber, wie gut die Dinge sind, so wie sie sind. Die Zeit rennt plötzlich nicht mehr, sie misst nicht länger als einziges Mass unser Wahrnehmen und Erleben.
Warum nur habe ich gerade diesmal genügend Zeit, den Schlusspunkt zu setzen, mich abzusetzen unter dem Text, in die Distanz, um ihn zu lesen, mich zu lesen?

Mittwoch, 20. Juni 2007

Hass

Ein Wort wie ein Hammer. Nur dass es schon von alleine niedersaust. Und einen gleich mitzieht, so bald man sich in seine Nähe denkt.
Hass macht blind. Blitze im Kopf, nur schon, wenn man ihn sich denkt. Er soll der Liebe folgen und ist wohl viel mehr Ausdruck enttäuschter Erwartung. Oder er richtet sich gegen etwas viel Unbestimmteres und per se gar nicht Definierbares, wie z.B. ein Volk. oder "die Ausländer". Dann zügelt Hass eine Angst oder kanalisiert einen Frust, ein selbst ausgegrenzt sein. Mancher sagt Hass und meint Verzweiflung. Aber wer will sie sich schon eingestehen?
Aber Hass IST Kapitulation. Der Verlust jeglicher Selbstkontrolle, Selbstaufgabe in blindwütiger Raserei. Hass ist die Bankrotterklärung alles Menschlichen, die Aufgabe der eigenen Moral. Hass überlebt in der Gruppe, wird da zum Brandherd. Hass in einer Person allein richtet sich gegen innen und zerstört das eigene Empfinden.
Hass meint den Tunnelblick und sucht doch die Prügelei links und rechts, denn voraus gibt es kein anderes Ziel, wenn die Schranken fehlen, die eingerissen werden sollen.
Hass kennt keinen Schlaf, ist ruhelos, treibt in sich selbst ein Zahnrad an, das niemals stoppt, stoppen darf, weil jedes Nachdenken zum Feind des Hasses wird.
Hass ist, sagen wir, einer Zivilisation nicht würdig und ist doch durch sie geboren worden. Hass will Rache. Hass ist immer auch Angst. Verzweiflung angesichts der eigenen Ohnmacht, die nicht sein darf. Hass ist der Schorf ungeheilter Wunden, er gedeiht da, wo es kein Verstehen gibt, keinen Rückzug, keine Geborgenheit, wo ein Mensch nicht mit sich sein kann.
Hass ist niemandem zu wünschen. Er gebärt nur Opfer.

Sonntag, 17. Juni 2007

Glaubensbekenntnis

Wenn Sie etwas nicht einfach so daher sagen, sondern dafür einstehen, wenn Sie Farbe bekennen, sich für etwas hinstellen, dann nehmen sie Widerstand in Kauf, Ausgrenzung, Ablehnung. Ein Bekenntnis ist so was wie ein Beichten ohne Scham, eine Aussage ohne negatives Vorzeichen, ein Bejahen in Stolz und Würde - gegen allen möglichen Widerstand.
Am Christentum bzw. an unserem so durchschnittlichen Christsein stört mich wohl nichts so sehr wie unsere mangelnde Glaubenscourage: Es ist ja nun wirklich nicht zu behaupten, dass es eine grosse Überwindung bedeuten würde, in unserer friedlichen Welt sich zum Christentum zu bekennen. Dennoch tut es kaum jemand. Was wir sofort bereit sind zu leisten ist unser Beweis an Toleranz: Wir sind offen für alles, lassen jedermann leben und allen ihre Meinung (oder hat sich das schon längst wieder geändert?). Aber sich zu einem Gott bekennen? Sagen, ich glaube an ihn? Sich Fragen dazu gefallen lassen und auch Antworten zutrauen?
Wir gehören doch nicht zu den Eiferern, die wir ja auch kennen, und die ihren Gott einfach jedem aufs Auge drücken wollen und sonst wohin. Nein, das nicht.
Aber, so wir glaubten, müssten wir da doch auch zu unserem Gott mindestens so stehen, wie zu unserer Frau, die wir, zumindest darum gefragt, auch bereit sind, in jeder Runde vorzustellen.
Bin ich bereit, über Gott zu reden. Meinen Gott? Wie ich mit ihm umgehe? Habe ich überhaupt so was wie einen Umgang mit ihm? Einen Vertrag? Einen Willen zu Verbindlichkeit? Bekenne ich mich zu ihm?
Wo ist mein Kennen von ihm?
Ein Glaubensbekenntnis darf dabei immer ein Reden über Glauben bleiben, und vielleicht ist uns das peinlich: Sich einem eventuellen Urteil der Naivität auszusetzen: Dazu stehen, zu glauben, auch ohne zu wissen. Einem Nicht-Wissen, aber einem Fühlen ein Fundament zu geben, es als solches zu nehmen und seinen Fuss darauf zu setzen.
Oder ist der Zweifel das Ehrliche, doch die innere Unruhe, dass der Glaube eben kein Wissen ist, nur ein Vermuten, nahe an der Hoffnung, dass er doch wahr sein möge...

Hoffentlich bekennt sich Gott sehr viel entschiedener zu Ihnen und zu mir...

Dienstag, 12. Juni 2007

Stammtisch

Ein Tisch um einen Stamm? Eine Gruppe, die einen Stamm bildet. Ein Zentrum. Ein Ort der Begegnung, wo Festes gilt. Verlässlichkeit. Wo man sich kennt und sein lässt. So man denn dazugehört.
Der gruppale Infekt, in leicht abwandlerischer Wortspielerei, droht auch ein bisschen: Das Dröhnen im Chor. Meinungen dürfen auch mal etwas deftiger daher kommen, Hautpsache, sie sind kongruent. Der Bazillus der Vereinheitlichung geht um.
Ein Stammtisch ist aber auch ein Ort der Begegnung. Auch wenn nicht gelallt wird, muss nicht unbedingt gesprochen werden. Man weiss um sich und hat sich längst akzeptiert. Fehlt einer, fällt das auf. Fehlt einer für immer, ist man zumindest so traurig wie der Rest auf dem Friedhof.
Und trinkt noch einen.
Es gibt auch Stammtische, die entwickeln Kultur. Jassen, Debattieren, Kegeln. Halt! Zum Stammtisch gehört, dass man bombig sitzt - wie eine Eiche halt. Unverbrüchlich. Den Zigarillo im Mund, gequetscht in der schiefen Ecke, das Bier gefährlich nahe der Aschenfallgrenze postiert.
Die Meinungen sind gemacht, gleichwohl müssen sie mitgeteilt werden. Die Serviertochter ist annektiert. Schafft sie das nicht, ist sie praktisch schon weg. Ich kenne keine Beiz, in der sich eine Bedienung wider den Willen eines Stammtisches zu halten vermag.
Der Stammtisch ist eben auch die Keimzelle der Rentabilität eines "Spunten", wie wir sagen.
Mit dem vergilben der Rauhfaserwände werden die Haare grau und dann lichter, die Worte einsilbiger, und irgendwann ist der Stammtisch tot. Gibt es Nachwuchs? Ich weiss gar nicht. Dies ist ein Beitrag aus der Erinnerung, fern der ländlichen Umgebung, in die ich auch als Kind nur noch hinein schnupperte, und fern noch des Rauchverbots, das den Quartierbeizen heute auch noch droht.

Mittwoch, 30. Mai 2007

Unlust

Sie ist grau. Hat schlaffe Muskeln, null Energie und einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. Keinen Bock haben ist für andere ätzend, für einen selbst aber auch. Manchmal fehlt es am Kleinmachen des inneren Schweinehundes. Es ist aber auch möglich, dass die Unlust ein guter Bote ist: Denn eigentlich sagt das Wort, dass etwas, was mal schön war, plötzlich keine Freude mehr macht.
Und das ist ernst zu nehmen.
Den wenigsten Menschen ist es anzudichten, dass sie notorische Nörgler und Lebensverweigerer wären - oder sein wollen. Es fehlt vielleicht am Zutrauen in sich selbst, in die Welt und der Weltenlauf für mich, myself, the one and only little thing without any importance at all.
Ich habe aber niemand anderen als mich selbst, zumindest wenn es hart auf hart kommt, wirklich hart, und darum sollte ich versuchen, mit mir auszukommen. Und das ein bisschen lustvoll. Vielleicht merke ich dann, dass die sogenannt Abgetörnten durchaus auch die sein können, von denen ich das nie vermutet hätte. Während meine eigenen dunklen Löcher gar nicht so trist sind, wie ich glauben will.
Ausserdem kann man die Vorhänge aufreissen, das Licht hinein lassen, und das so lange und so hartnäckig, bis man genug hat vom eigens ausgeströmten Siff und das grosse Aufräumen anfängt.
Da muss kein Palast aus dem eigenen Lebensgebäude werden - nur ein Häuschen, in dem man am Morgen gern den Fensterladen öffnet, weil man vom Tag den Sonnenschein erwartet und auch gewillt ist, ihn zu finden und dann zu sehen, zu fühlen und zu tanken.
Ist doch interessant, wie unterschiedlich die Bilder sind, die wir vor dem Sonnenschein abgeben, nicht wahr?
Er ist wie ein ständiges Angebot, an dem man vorbeigehen kann oder auch nicht - es kommt nur darauf an, ob man etwas vertrauenserweckend finden kann, das zuerst einmal gratis ist.
Allerdings mag nur der Ball gratis sein. Üben muss ich mit ihm das Spiel dann schon selbst. Und Fehler und Niederlagen akzeptieren. Aber auch die Lust am Unbeschwerten darf ich neu entdecken. Vielleicht sogar am Fehler machen und Lernen. Und die Fortschritte werden nicht kleiner, wenn ich sie klein rede. Aber nutzlos, weil ich mich nicht an ihnen aufbaue.
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