Mensch

Montag, 31. März 2008

Geburtstag (40 Jahre plus 8)

10-Min-Gastbeitrag von paz


erst heute abend habe ich gemerkt, dass ich seit vierzig jahren acht
bin. grad während einer diskussionsrunde am fernsehen, ein
alt-achtundsechziger, welcher natürlich auch bücher über diese zeit
geschrieben hat, im geistreichen dialog mit dem fernsehmoderator. seine
äusserungen abwägend, sein schwerer kopf in seiner hand. gesucht hätten
sie damals, sagt er, nach modellen und organisationsformen oder
dingsbümsern, was weiss ich. ..."alles kluge köpfe, waren Sie"... sagt
der moderator, und der alt-achtundsechziger, der einige bücher über 1968
geschrieben hat, wiegt seinen schweren kopf bedeutungsschwer in seinen
händen, sagt wenig darauf, man will ja nicht....
na ja, sag ich, 1968 war ich acht jahre alt, meine eltern trieben sich
hin und wieder mit hippies rum, diskutierten auch nächtelang, sangen "we
shall overcome", und hörten musik bis in die morgenstunden, bis wir
kinder aufstehen mussten, unser frühstück selber machten, und uns zur
schule begaben. ich war in der zweiten klasse, hatte eine bildhübsche
lehrerin - fräulein irgendwie, in die sich mein damaliger busenfreund
patrick und ich natürlich auch prompt verliebten. "hello baby",
begrüssten wir sie mal, und sie wurde ein bisschen rot, und hat
geschmunzelt. im folgenden jahr war woodstock, ich neun, und habe mit
kartoffelstempeln ein leintuch zu einem dingbums entstellt, mit vielen
herzen, peace-zeichen, und gross woodstock darauf geschrieben,
beziehungsweise gestempelt. um was es eigentlich ging wusste ich nicht
genau, ausser dass es gegen krieg war, und gegen krieg war ich auch, nur
glaubte mir damals noch keiner.
dann gab es zwölf jahre später eine weitere jugendrevolution, da war ich
schon zwanzig, und es ging um ein alternatives jugendhaus. irgendwie
wusste ich nicht, weshalb sowas gut sein sollte, ich ging trotzdem
demonstrieren. das alternative jugendhaus war nicht so mein stil, ich
arbeitete bereits in einem alternativen restaurant-betrieb mit
basisdemokratischen werten und so. trotzdem ging ich auf die strasse und
hab heftig mitdemonstriert, bekam meine ladung tränengas und wasser ab,
war dabei.
an einer der demonstrationen nahmen wir einen waschbottich mit,
inklusive feuerstelle, und kochten bündner gerstensuppe. es war winterlich kalt, und die leute assen gerne friedlich
eine tasse suppe mit schinkenwürfeln und viel gemüse. auf dem
bürkliplatz war das, und erst noch kostenlos.
bündner gerstensuppe mit schinkenwürfeln und viel gemüse! vive la
revolution!

paz

Samstag, 15. März 2008

Loyalität

Verlässlichkeit, Treue, Kameradentum, aber auch eine souverände, selbst bestimmte Gefolgschaft? Wie weit geht Loyalität? Ist sie kritiklos, bedingungslos? Wer loyal gegenüber jemandem ist, hat bestimmt für sich entschieden, dass dieser jemand Kredit verdient. Man akzeptiert einen Lead, eine Linie, der man in einer Spur folgt. Loyale Personen sind solche, die einer Firma dienen, über den reinen Anstellungsvertrag hinaus Verbundenheit beweisen. Vertrauen nicht missbrauchend leisten sie auch ohne direkte Kontrolle überdurchschnittlichen Einsatz für eine Sache, die man nicht ständig erklären muss.

Man trifft solche Menschen in allen Berufen an, in allen Lokalen, die wir aufsuchen: Jene Angestellten, die in der Regel gerade nicht die hohen Gehälter beziehen, bestimmen, ob ich mich an einem Ort wohl fühle und die Dienstleistung schätze: Die Empfangsdame, die Kellnerin, die Angestellte am Kundendienst beim Detailhändler, die Frau an der Kasse, für die ich nur ein flüchtiger Augenblick in einem öde langen harten Arbeitstag bin - oder sein könnte, wenn sie mir nicht ein Lächeln schenkte.
Loyalität bringe ich auf, wenn ich auch immer mal wieder Wertschätzung erfahre, mir bedeutet wird, dass man sieht, was ich leiste, wie ich denke und ich zum Team gehöre. Loyalität lebt nicht allein durch meinen Charakter weiter. Sie muss genährt, auch mal gepflegt werden.

Wenn eine Führung auf den Kurs einschwören muss, dann wird aus loyalen Mitarbeitern eine Soldatentruppe, freiwilliges Engagement wird übersteigert durch Eifer bei den einen und ersetzt durch Zwang bei den anderen. Loyalität kann sich auch täuschen und verraten fühlen, so dass mann oder frau selbst zum Verräter wird.

Man hat sich auf die Person verlassen und wird enttäuscht. Eine laute Empörung aus dieser Enttäuschung trifft vielleicht auf eine stille Enttäuschung. Und in dieser Stille hat die illoyal gewordene Person vielleicht längst mit sich abgemacht, dass sie in aller Linie sich selbst treu bleiben muss - und nicht bis zur Selbstaufgabe fremden Zielen die eigene Kraft verschenken darf.

Mittwoch, 12. März 2008

Nationalismus

Dies ist ein 10-min-Gastbeitrag von paz.
Sie kennen ihn noch nicht. Vielleicht kennen Sie ihn auch besser als ich.
Ich überlasse es ihm, wie er sich Ihnen zukünftig vorstellen und was er Ihnen über sich verraten will. Nur für so viel bürge ich: Paz ist real, aus Herz und Blut. Und er ist anders als ich. Dafür muss ich nicht bürgen. Das wird man spüren. Genau so, wie die Tatsache, dass wir uns sympathisch sind.


nationalismus

nationalismus?
ich erkläre mich per sofort als wieder staatenlos,
sans papier, illegaler verrückter, verrückter künstler,
der nix mehr versteht.
ich spalte mich ab! rufe die republik PAZ aus.
weil für eine bundesrepublik wäre ich als einzelner
zuwenig, und eine diktatur wäre ja auch schwierig,
mit bloss einem diktator und keinen subjekten.
und überhaupt! sapperlott!

individualismus!
wobei, der dualismus darin gefällt mir auch wenig
ich fordere "indivimehrismus. nein! nicht mehr -mismehrmus!
von mis- haben wir weissgott genug.
und gott ist weissgott nicht weiss, noch schwarz
sondern irgenzwie dazwischen. und
wenn man weiss (schon wieder! weshalb nicht schwarz?)...
also: wenn man schwarz, dass weiss nicht ist,
und schwarz die stärkste form aller farben,
mischt man am besten ein grau.

und je nach dem, aus welchen farbpartikeln
das schwarz besteht, kriegen wir ein
rotgrau, blaugrau, gelbgrau, grüngrau, violettgrau, etc. etc.
und somit die realität.
wider ikea-möbeln im stil dieses einen künstlers
der dann wirklich nur noch geometrie in weiss-schwarz-rot-gelb-blau malte
und wider der fernseh-realität, die alles so bunt (danke nina hagen)
darstellt.

ich sehe grau.
der komputer auf meinem tisch, mit bildschirm und so
(das konnte sich marcel duchamp nicht einmal vorstellen) ist grau.
meine kleidung ist ausgewaschenes schwarz, sprich grau. mein hund hat
eine graue schnauze,
und ich auch. ausserdem werden meine haare so.
ein abgewählter bundesrat ist weder schwarz noch weiss, sonder grau.
ein besonderes grau, grau wie brot wird, welches man (fast) nicht mehr
essen kann
(hungrige menschen essen alles, fressen alles, somit die these widerlegt
ist, das menschen essen, und tiere fressen),
das ist dann auch graugrünlich. überhaupt sind fast alle
politiker grau. "gräulich" zumindest,
wie auch die vertreter der wirtschaft und des
globalismus.
oder der pontifax! vertreter gottes auf erden. ich wünschte mir, er
würde sich mal vertreten.

indivimehrismus
heisst das nicht, dass mehreres nicht getrennt werden kann? indivi-
mehr-ismus!
ich sage ihnen:
ein gutes mus ist mir lieber!
schönen tag noch!!!

paz

Samstag, 1. März 2008

Charisma

Ausstrahlung, die fesselt, packt, mitreisst. Ich bin begeistert, fasziniert, höre meine Umgebung nicht mehr, aber diese Stimme, die Präsenz, als stünde er im Raum. Dunkel frage ich mich, ob ich nicht mehr klar denke? Und wenn dem so ist, weshalb?

Ist das Magie? Reine Rhetorik? Wird der Mann genau so fort gespült wie ich? Hört er sich selbst so gerne reden wie ich ihn? Meint er es ehrlich? Kann ich ihm folgen? Vertrauen? Wer bändigt die Bewegung, die eventuell los getreten wird? Um mich herum geht es Vielen gleich. In einem Konzert ist das harmlos. Vielleicht. Man geht danach nach Hause. Kühlt ab. It was just music, you know.

Aber wenn da einer mehr von mir will als mich unterhalten? Bei Tom Cruise weiss ich es und bin gewarnt. Aber was ist mit jenen, die Macht wollen und doch wie Idealisten erscheinen? Soll ich nur betört oder begeistert werden, um Teil eines grossen guten Plans zu werden?
Wird Wasser gepredigt und Wein getrunken, oder steht der Mann neben mir, wenn die Gläser geschrubbt und gespült werden müssen?

Funktioniert das, was er sagt, bei ihm selbst, wenn er eingeholt wird von seiner Wirkung - und er erfährt, was es heisst, ein Idol zu sein? Diese Einsamkeit, die zusätzlich dazu verführt, sich im Zuspruch der Masse zu verlieren und nur noch danach zu fragen, wie er erhalten werden kann?

Beginnt die Unlauterkeit schon im Grundprinzip einer Kandidatur für ein Amt, für das ich Wählerstimmen gewinnen muss, um sie dann doch nur zu fangen wollen?

Was, wenn der Mann, der da spricht, nicht wirklich zum Handeln taugt? Oder darf ich dem Gefühl vertrauen, das jeden zumindest durchschnittlich Mensch gebliebenen Bürger fühlen lässt, ob da einer hinter seinen Worten steht und bereits so daran glaubt, wie ich auch daran glauben möchte?

Glauben wir an Bewegung oder fühlen wir gar, dass es möglich ist, eine Idee mit Kraft zu füllen, Werte zu verschieben, zu erneuern? Glauben wir an das Aussergewöhnliche? Und an Menschen, die diesen Glauben wecken können?

Mittwoch, 27. Februar 2008

Elite

Die Elite ist fein. Elegant. Abgehoben. Ohne Bindung, Verbindung zur Basis. Wenn ein Top-Segment Elite wird, und gleichzeitig aber noch für das Ganze arbeiten soll, wird es problematisch. Das Elitäre hat sich gelöst, ist getrennt, definiert sich durch eine Grenze nach unten. Nach oben glaubt man sich ohne Grenzen. Nach unten definiert man sie selbst, je länger je mehr.
Eine Elite wird je unverschämter und unerträglicher, je weniger sie sich verantwortlich fühlt. Es ist der Elite geradezu abträglich und hinderlich, Verantwortung zu tragen.
Wenn, dann spürt man so was gegenüber dem eigenen Ruf.

Eliten wissen sich zu bestätigen. Untereinander. Eine andere Legitimation scheinen sie nicht zu brauchen. Und wir beten ihnen dieses Recht vor. Die Elite-Universität, das Elite-Gymnasium, die Elite der Gesellschaft.

Wären es Think Tanks, wie es manche Professoren sein mögen, so wäre dies der grössmögliche reale Ertrag für die Gesellschaft. Aber das verliert sich im Ego, der Beste zu sein und nichts mehr beweisen zu müssen.

Die Elite ist beständig damit beschäftigt, sich zu pflegen. Was scheinbar ganz selbstverständlich geschieht, in Clubs, Herrenabenden, Wirtschaftsverbänden und Champagnerrunden, ist das beständig sich drehende Rad einer Pfauengesellschaft.

Der Arbeiter wird allenfalls "ghettoisiert", die Elite verteidigt ihr eigenes Territorium. Wo keine Macht ist, herrscht kein Frieden, wo alle Macht ist, kümmert man sich nicht darum. Pro Bono - Arbeit leistet man allenfalls auf dem Weg zur Elite, weil es schick war, und passt es wirklich hin, so mag man irgendwann mal erwähnen, dass da mal was war, was nicht dem Rénommé allein dienen sollte oder musste - oder doch?

Pfadfinderübungen gibt es auf allen Ebenen. Elitär wäre also der Ausstieg aus allen Zwängen, die demonstrierte Unabhängigkeit - als kleine Chance zu einer wirklichen eigenen Identität. Sie ist in einer Elite noch viel weniger zu finden als in anderen Gesellschaftsschichten.

Montag, 25. Februar 2008

Unabhängig

Immer wieder höre ich mich selbst sagen, dass ich diese oder jene Person bewundere, weil sie ganz offensichtlich unabhängig sei und entsprechend frei einen bestimmten Standpunkt vertrete.
Im Zusammenhang mit Fernsehen z.B. kann darin auch eine leichte Revoluzzer-Anarchie durchschimmern und ihren Charme entwickeln. Siehe Harald Schmidt. Von was man persönlich allerdings unabhängig ist, muss man mit sich selbst ausmachen (Anerkennung, Beachtung etc. ).
Unabhängig sein meint natürlich vor allem wirtschaftliche Unabhängigkeit. Ab wann ich mich unabhängig vom Wohlwollen anderer fühle, ist allerdings dann schon wieder eine Frage der eigenen Persönlichkeit. Was ist viel Geld, was Vermögen, was Reichtum? Wo beginnt meine Sicherheit? Welche Unterstützung geniesse ich, wovon gehe ich aus?
Man kann die Rechnung immer ohne den Wirt machen und sie kann einem immer präsentiert werden. Aber in der Zwischenzeit sollte man doch leben (wollen).
Faktisch frei können wir aber immer nur sein, wenn andere das zulassen. Und so hat die Erklärung einer Unabhängigkeit eines Staates immer erst einmal den Charakter einer Demonstration. Auf eine Ermutigung erfolgt die Erklärung, die geradezu auch Unterstützung fordert.

Unabhängig sind wir also erst dann, wenn diese anerkannt wird. Und wirklich unabhängig werden wir, wenn mit uns Handel getrieben und "geschäftet" wird. Wenn man uns das eigene Geschäft zubilligt, die Auslagen prüft und nach objektivem Massstab darin auch einen Wert für sich selbt erkennt, wählt, kauft, einlädt, zu Gast kommt. Es ist ein weiter Weg zur Akzeptanz in einer Gesellschaft. Ein bisschen so, wie wenn Du erwachsen wirst. Du reklamierst die Unabhängigkeit von Deinen Eltern, aber was Du dabei auch sagst und forderst, ist: Nehmt mich ernst, akzeptiert meine Abgrenzung und beginnt aber gleichzeitig, mir zu begegnen. Anders als zuvor, und so ernsthaft, dass ich sehe, dass ich mich auf Augenhöhe mit Euch befinde.
Nach einem ersten wilden Aufbegehren werde ich auf gönnerhafte ältere Erwachsene auch ein bisschen angewiesen sein. Ich brauche Support, um mich entwickeln zu können - von in sich ruhenden, gelassenen Erwachsenen, die mir Kredit geben, meine Ansprüche verstehen, darin keinen Angriff, sondern ein Bedürfnis sehen. Und keine Machtgefährdung.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Subprime

Neudeutsche Begriffe sind oft erst zu verstehen, wenn die Aktualität ihnen schon voraus geeilt ist. Und ohne ein Lexikon und meine mangelhaften Englischkenntnisse zu bemühen, bleibt mein Hirn an dem Wort hängen.
Interessant, mit was wir alles Geld machen können. Mit dem Primus unter den Antragstellern für Kredite arbeiten ja alle gern zusammen. Wer Geld hat oder zu haben scheint, bekommt gerne noch mehr davon. Den Verdacht in sich aufsteigen fühlen haben schon Viele, die sich recht mühsam um eine Hypothek für ihr Häuschen beworben haben. Aber irgendwie ist es nicht sexy genug geblieben, mit jenen Geschäfte zu machen, mit denen es alle können. Und damit kommen Sie und ich ins Spiel.
Dass wir an dem vermuteten Ende der Ereigniskette verbleiben, an dem wir uns zuvor schon sehen, wird zwar erst später klar, aber zuerst mal ist das Wort: Subprime. Das Subsidiäre, Zweitrangige, das sich am Primären zwar orientiert, darunter schlüpft und doch so sexy wird, dass es ein eigenes Wort bekommt, in dem es sich der Spitze anhängen darf.
Subprime für sich ist ein Klassewort. Es hat Glanz, wenn es für ein Geschäft steht, das funktioniert, und es wird schäbig, wenn dem nicht mehr so ist. Erst liegt die Betonung auf der zweiten Silbe, später dann auf der ersten.
Die Gier gibt den Verlauf vor. Das Geld, das plötzlich im Spiel war und jenen nachgeworfen wird, die wirklich keines haben, bleibt nicht dort, wo es nur arbeiten soll. Vielleicht kehrt es nicht zum Geber zurück, aber wenn es schon versickert, dann ganz sicher nicht zur Stärkung von Grund und Boden.
Im Handel bleibt der Bedürftige immer Teil des Händels. Wer Kredit braucht, ist nie der Starke. Und die Gier des Geldes schlägt immer zuerst den mit den leeren Taschen.

Subprime ist auch die Subordination des Anstandes unter den Rubel, der rollen muss und soll und so ziemlich der einzige Antrieb ist, der eine überdrehte Wirtschaft weiter am Drehen hält.

Wie lange geht es, bis die Herren an den Hebeln einen neuen Prime ausweiden und wir ein neues Wort kennen lernen - und leider auch erleben, was es wirklich bedeutet?

Montag, 18. Februar 2008

Klatschen

Ich klatsche Applaus. Ich will meine Zustimmung mittielen, die Produktion hochleben lassen, den Künstler vor allem. Ich stehe in einer Reihe mit anderen (klatschte ich allein, würde ich schnell damit aufhören) und geniesse die Feier, dass hier Viele eine Entzückung teilen. Ich entrücke mich ein wenig meiner eigenen Zurückhaltung, bin vielleicht sogar aufgestanden.

Es gibt so viele verschiedene Arten des Klatschens. Das lange, nachhaltig hallende, regelmässige, das nicht enden will. Das stille, zurückhaltende, feine, das eine Verbindung sucht, die doch illusorisch ist. Und während Du klatschst und sich vorne jemand vielleicht sogar verbeugt, bist Du Teil dieser Verbindung und ahnst, was es bedeuten mag, sich zu exponieren und dafür nicht abgestraft zu werden.

Und doch wünschte ich mir manchmal, ich bliebe sitzen und würde allenfalls meine Hände falten. Dem Lauten ein stilles Dankeschön entgegen setzen für die eben erlebten Momente. Das Aussergewöhnliche hat eigentlich keinen Lärm nötig. Sondern Stille verdient. Man stelle sich vor:
Ein Mann oder eine Frau singt vor - und löst Stille aus. Nicht von Entsetzen geprägte Stille, sondern eine, die trägt, besänftigt, efüllt.
Und noch verrückter: Stellen Sie sich vor, es wird nicht gesungen, sondern nur vorgelesen. Unglaublich, was Worte vermögen. Sie können Massen bewegen. Aufrühren. Aber wohl auch befrieden. Es wäre zu versuchen. Immer wieder. Immer mehr.

Applaus ist eine Demonstration. Der Versuch, etwas festzuhalten, die logische Antwort auf Berührung in der Masse. Oder schlicht Zustimmung. Nach dem Applaus aber gehe ich alleine nach Hause. Und der stille Dank hinter meiner Haustür legt dann erst offen, wie wertvoll der Abend wirklich war.

Donnerstag, 31. Januar 2008

Umarmung

Eine Umarmung kann einen Menschen erschüttern. Sie kann jede Mauer zum Einstürzen bringen oder in der Kälte erstarren und gar nichts bewirken. Wer seine Arme ausbreitet und umarmt, geht ein bewusstes Risiko ein, dass ihn kein offenes Herz erwartet, dass er Zurückweisung erfährt.
Wer die Umarmung anbietet und in diesem Fall nicht gekränkt reagiert, hat die Güte erlernt. Sie rechnet nicht auf, braucht kein Gesicht zu wahren. Sie ist allenfalls traurig über den Strunk Holz in ihren Armen.
Ich werde mich zeitlebens nach Umarmung sehnen - und an jenem Tag tot sein, an dem sie mich nicht mehr zum Fliessen bringt. Umarmt zu werden, ist das Schönste Zeichen an Verbundenheit.
Eine Umarmung kann peinlich sein, ich weiss. Aber sie ist sehr viel öfter möglich, als wir glauben. Denn es gibt unzählige Arten einer Umarmung.
Das einzige, was immer gleich bleibt: Es gibt ein Grundverständnis für eine offene, ungeschützte Brust in mir. Für mich und mein Gegenüber.
Wie ich das erlebe, ob behutsam, zurückhaltend gar, oder zupackend, eng umgreifend - immer spüre ich dabei, ob der andere "da" ist, oder weit weg.

In keiner anderen Begegnungsform gibt es so viele Autisten, wie in der Umarmung... Dabei ist sie oft vor allem auch gegen aussen ein starkes Zeichen, und will nicht so sehr sagen, guck mal, ich bin gut mit dem - es sagt vielmehr: Du gehörst an mein Herz - sichtbar für andere und jenseits aller Mässigung aus tiefstem Herzen.

Nicht alle müssen wie Politiker taktieren. In der Umarmung würde das besonders fahl und abgestanden daher kommen. Die Kraft zu umarmen, und sie dann zittern zu fühlen, kann sehr berührend sein.

Gerade Männer sollten das Umarmen richtig üben. Vielleicht beginnen sie mit einem Baum? Der erste Triumph stellt sich ein, wenn sie es zum ersten Mal tun, ohne daran zu denken, ob Sie jemand beobachtet?

Mittwoch, 2. Januar 2008

Schwermut

Ich spüre mein Körpergewicht. Viel tiefer liegt es als in meiner Mitte. Gleichzeitig berühre ich keinen Boden. Ich schwebe, oder ich wate in Watte auf flüssigem Grund. Der ist nicht klebrig, nur haltlos, schwimmend, unverbindlich.
Schwer sind nicht eigentlich die Gedanken. Sie denken nur das Grau der Stimmung weiter. Ich müsste nach draussen. Ich sollte lachen über mich. Denn es ist zum Lachen, eigentlich, so ohne Grund trübe Schleier zu fühlen, rund um die Schulter und über dem Gesicht.
Ich sollte, ich müsste, ich mag nicht. In dieser Reihenfolge. Die drei Könige der Schwermut, reichen mir nicht Myrrhe nicht Weihrauch nicht Gold. Sondern Trägheit, Verzagen und Hadern.
Was mag es mit der Schwermut auf sich haben, wenn sie aufschleicht, hoch steigt, die graue Landschaft sieht und nur deshalb aus dem Fenster schaut.
Die Schwermut ist auszulachen. Sie ist kindisch. Infantil. Nicht ernst zu nehmen. In ihrem Aufleben schon dem Untergang geweiht weil einfach nicht glaubwürdig in meinem Leben. Sie ist da, immer wieder, aber sie hat keine Berechtigung, ist schlicht ein Witz angesichts aller meiner Umstände. Eine Beleidigung für alle, die Grund zum Klagen haben. Ich sollte, zumindest, die Finger tippen lassen, so wie jetzt. Denn dann wird aus der Schwermut vielleicht der eine oder andere Satz geboren, der entlarvt oder sensibilisiert.
Gute Sätze, ja ganze Bücher werden in Schwermut geschrieben. Es ist da in ihr die gleiche Kraft, die Liebe möglich macht - und eben auch geliebt werden will - und das immer anders, als es der Fall ist. Und dieses Anders will ich nicht wirklich. Ich will die Liebe annehmen, die um mich herum ist, mir mannigfaltig und von Zahlreichen entgegen gebracht wird.
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