Mensch

Sonntag, 21. Februar 2010

Begeisterungsfähigkeit

Begeisterungsfähig sein, bedeutet enthusiastisch sein. Ich lasse mich anstecken von einer Idee, kann mich begeistern und brenne dann dafür. Ich will etwas tun, bringe mich ein und renne vielleicht gar voraus, auf jeden Fall aber hinterher. Die Begeisterungsfähigkeit ist jung. Sie lässt sich wecken, sie ist Energie, welche freigelegt wird, entzündet. Sie ist voller Kraft, fragt nicht nach dem Morgen, nicht nach den Hindernissen. Begeisterungsfähigkeit ist jetzt, schimpft Vorbehalte kleinmütig und glaubt daran, dass die Zukunft ihr und der Idee gehört. Begeisterungsfähigkeit kann einer Idee, einer Sache genau so gelten wie einer Person. So schnell, wie sie gekommen ist, so schnell kann sie verglüht sein. Begeisterungsfähigkeit ist kein Langstreckenläufer. Sie kann verpuffen, sie vergibt sich manchmal auch vorschnell nach verschiedenen Seiten. Die B. ist verschwenderisch, sie teilt ihre Kräfte nicht ein. Sie ist grosszügig, laut und manchmal auch vorschnell.
B. hasst die Relation, die Relativierung, das "ja aber". Begeisterungsfähigkeit will vielmehr ansteckend sein, nimmt mit, wen und was sie kriegen kann, aber sie ist kein guter Streiter mit Argumenten. Der Begeisterte will nicht überzeugen: Wer überzeugt werden muss, hat nicht das gleiche Feuer, ist nicht Freund, höchstens Unterstützer im Hintergrund. Begeisterte sind Fans. Sie glauben, und mehr Wissen brauchen sie nicht.
Begeisterungsfähigkeit hat immer etwas Naives, der Bauch triumphiert über den Kopf, welcher Argumente, wenn übehraupt, erst im Nachhinein liefern soll. Dafür, natürlich.
Die B. weckt aber auch eine Energie, ohne welche Vieles gar nicht versucht würde. Aber sie braucht für ihr Ziel Freunde, welche den langen Atem spenden, wenn die Schnellkraft der Muskeln weg und diese übersäuert sind. Die B. braucht Brüder und Schwestern, welche die Idee tragen, weil sie sich zuvor eingestanden haben, dass ohne die Begeisterten das aufrichtige Anliegen gar nie hinter die eigenen Vorbehalte gedrungen wäre.

Mittwoch, 13. Januar 2010

Trennung

Trennung ist Schmerz. Verlust. Verzicht. Es ist unbegreiflich, dass, was eben noch Teil eines gegenwärtigen Glücks war, nun im Schlick versinkt.

Trennung ist die Erkenntnis, dass es nicht wieder auftauchen wird, dieses Gefühl, das dieses Glück war. Das Geschenk ist genommen. Geraubt. Trennungen werden sehr subjektiv empfunden. Manchmal ist man nicht nur plötzlich von einem Menschen getrennt, sondern von allen Menschen. Niemand kann wirklich abschätzen, wie tief die eigenen Wunden gehen, was "man" fühlen mag. Ich fühlen mag. Nie war diese allgemeine Formulierung des "man" so schmerzlich "man selbst". Man fühlt sich entfremdet, mag gar nicht mehr in "Ich-Form" schreiben und denkt doch in keiner Weise mehr anders.

Ich glaube, dass dies auch ganz wichtig ist. Denn tatsächlich ist es ja das Wesen der Trennung, dass man lernt, wieder ganz neu als Ich zu leben. Ohne Definition in Verbindung mit einem Anderen. Dem Einen.
Dieser Fixstern in der eigenen Orientierung wird abgelöst. Aus der Orientierung durch Verbindung wird Positionierung durch Abgrenzung. Schutz vor Selbstzerfleischung muss her. Vorwürfe gehören dazu. Vorhaltungen an den anderen, die eigentlich immer auch mich selbst meinen. Ich will auch verletzen, denn es ist nicht recht, dass ich "allein" leide. Bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass "man" ein weiteres Mal verbrüdert und verbunden bleibt, im Leid, das man an einander empfindet.

Am Schluss bleibt vielleicht die Hoffnung, dass es gelingt, wenn die Stürme sich legen und die Unsicherheiten weichen, zu erkennen, dass das, was man durch dieses Du lernen durfte, das Ich formte, gestaltete und veränderte - und sei es nur, dass es sich besser kennt.

Erinnerung - das kann auch Versöhnung werden, wenn der Abstand dazu verhilft, zu erkennen, dass man lebt. Tatsächlich und noch immer. Und dass man, nein, dass ich das will. Ich bin nicht Er. Nicht sie. Ich bin ich. Und ich darf danken für das, was war und am Schluss bei mir selbst bleiben. Auch in den Fehlern, die mir unterliefen, die ganz offensichtlich zu mir gehören und ein Teil von mir sind, mit dem ich aber umgehen darf. Mit mir selbst.

Montag, 13. Juli 2009

Neugierde

Gier auf Neues? Kinder haben eine unbändige Lust, Neues zu entdecken. Je älter wir werden, um so mehr scheint mir die Neugier ein Indiz dafür zu sein, ob wir lebendig bleiben, achtsam, interessiert an unserer Umgebung. Wer neugierig ist, impliziert damit auch eine Haltung gegenüber der Welt, welche dieser Umgebung auch zutraut, noch immer Überraschungen bereit zu halten.
Wenn wir uns der Neugierde hingeben, wenn wir sie auskosten, das, was wir gerade entdecken, wirklich gründlich erkunden, dann können wir dabei so viel Glück empfinden, dass wir keinen Aufwand und keine positive Gedankenarbeit scheuen, um diese Haltung neu zu verinnerlichen.
In der Zeitung nachsehen, ob der bevorzugte Fussballverein gewonnen hat, ist keine wirkliche Neugier, sondern mehr die Befriedung einer künstlich geschaffenen Unruhe. Einen Käfer am Grashalm zu entdecken, kommt der Neugierde schon näher. Vor allem dann, wenn es sich dabei um das Kind eines Talk-Gastes im Radio handelt, der davon erzählte, wie seine Tochter am Wochenende einem solchen Käfer eine Viertelstunde lang zusah.
Und in dieser Zeit haben die Beiden, Tochter und Vater, NICHTS anderes gemacht, als geschaut. Nein, hingesehen. Die Neugier der Kinder wird durch das Bewusstsein genährt, dass sie WISSEN, dass sie da sind, um zu lernen, zu beobachten. Kinder nehmen denn auch sehr viel mehr von ihrer Umgebung durch Imitation an, als wir glauben.
Während wir erwachsenen oft den Alltag vergrauen, indem wir meinen, er würde nichts Neues bereit halten.
Dabei ist nichts wie gestern. Und wir haben auf alles scheinbar Beständige noch kaum je wirklich hingesehen.

Montag, 5. Januar 2009

Wille

Er hat einen unbändigen Willen.

Wir bewundern Menschen, die sich für ein Ziel alles abverlangen können, die ihr Glück zu erzwingen vermögen. Wir fassen Mut, wenn wir vorgelebt bekommen, dass nichts unmöglich sein muss.

Biografien lesen - ein Hobby von vielen Menschen. Und ich würde mal behaupten, dass praktisch alle diese Leser an der aussergwöhnlichen Lebensgeschichte vor allem faszinierend finden, mit welcher Hartnäckigkeit und Willensstärke ein Ziel verfolgt wird.

Wir wollen von Siegern lesen.

Dass der Wille, jeder Wille, Grenzen hat, erfahren und erspüren wir, wenn wir älter werden. Wahrscheinlich ist der Wille in seiner Anlage sehr viel beschränkter als der Glaube... Aber wir wollen beim Thema bleiben und es nicht durch einen anderen Begriff ersetzen.

Und doch hat die Verherrlichung des starken Willens auch sehr viel mit dem Glauben an die Leistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit von uns Menschen zu tun. Die Gesellschaft baut sich ja geradezu darauf auf, dass wir mit unserem Willen alles vermögen - zumindest die Sorge für uns selbst. Die Botschaft des Establishments ist immer:
Ob Du Deine Chancen packst, hängt nur von Dir ab, von Deinem Fleiss und Deinem Willen, vorwärts zu kommen.

Das ist so wenig falsch wie es das abschliessende Ziel meines Daseins sein sollte. Denn am Schluss meines Lebens steht da der Wille der Natur, mich dahin zurück zu führen, wo ich herkomme.

Also wäre vielleicht auch nach dem Willen zu forschen, der den Willen bändigen oder mit Demut paren könnte und wollte. Ist es nicht so, dass wir uns sehr wohl auch eine Welt wünschen, in der wir die Gnade haben, den Willen zu finden und ihm vor allem Raum zu geben, der da nicht nach der Zukunft trachtet, sondern die Gegenwart wahr nimmt?

Wer Müdigkeit verspürt, sollte schlafen wollen.
Wer verzweifelt ist, sollte sich nicht mit oberflächlichen Antworten zufrieden geben.
Wer Orientierung sucht, sollte fragen dürfen.
Und genau darin auch Sinngeber für andere sein.

Dem Willen, Mensch werden zu können, wäre so manche Willensstärke zu opfern - für ein Bewusstsein, das keine Tat braucht, um einen Wert im Dasein zu erkennen.

Dienstag, 25. November 2008

Weihnachtsinternet

Noch begegnen sie mir nicht, die fliegenden Schlitten und die langgestreckten Elch-Hälse, und noch bluppert kein Nikolaus seine hohoooh-Sprechblase auf den Bildschirm. Das alles will mich zum Kaufen animieren, Wohlfühlgarantie versprechen und etwas heimelig scheinen.
Also: Alle diese Dinge funktionieren am Fernsehen besser - und im Schaufenster sowieso.
Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass, schaut man in einen Computer, man sich sehr viel bewusster wird, wie still es in der Wohnung ist, als wenn man vor dem Fernseher hockt. Auch der Rücken ist viel eher gebäugt. Im TV bzw. davor kann ich mich richtig hinfläzen.
Nein, Weihnachten allein bleibt im Internet richtig was Trauriges.
Sind eigentlich Chaträume an Weihnachten bevölkert? Ich glaube kaum. Es ist irgendwie nicht die richtige Art, sein Elend zu entsorgen. Und seine Freude zu teilen schon gar nicht.
Nein. Weihnachten im Internet ist kein Fest. Es sei denn, Sie lassen es zu, dass Sie im Internet VOR Weihnachten ein bisschen angestupst werden. Vielleicht achten Sie auf den Ton in Blogs, Foren oder irgend welchen Portalen und erkennen darin, dass die Sehnsucht aller Menschen doch die gleiche ist. Und vielleicht greifen Sie dann in die Tasten und schreiben einen Brief. Per e-mail an jemanden, dem sie schon längst schreiben sollten. Warum soll nicht gerade das etwas von Weihnachten haben?
Es ist interaktiv, das Web. Social Media gar, aber ich glaube, das kann es höchstens noch werden. So, wie es eben ist, das Internet, ist es an Weihnachten selbst wohl eher traurig.
Nie zuvor und danach im Jahr läuft die Kommunikation in den hier möglichen Formen mehr auf Krücken.
Darum wünsche ich Ihnen schon Internet-Weihnachten. Im Netz voraus geplante Weihnachten nämlich, die in eine Begegnung offline münden, in eine Umarmung, in Gerüche und Augen, die warm leuchten, in Lichter, die nicht blinken, sondern glänzen, mit Flammen, die nicht tanzen auf dem Schirm, sondern Wärme abgeben auf dem Tisch.

Möchten Sie nicht allein sein an Weihnachten? Gestehen Sie es sich zu und teilen Sie es mit. Per Internet. DAS ist hier und so vielleicht einfacher als es früher war, im Zeitalter der Briefe und Telefonapparate mit Rund-Wahlscheibe.

Ich wünsche Ihnen schon jetzt frohe Weihnachten. Mein Lächeln sehen Sie nicht. Aber ich habe es dank Ihnen. Denn ohne den Gedanken an Sie hätte ich diesen Text nicht geschrieben.

Sonntag, 21. September 2008

Seele

Wir mögen mit unserem Körper fühlen, riechen, sehen, hören, mit unserem Geist denken. Doch woher kommt die Stimmung, in der wir das tun? Was beeinflusst unser Glück, was lässt uns unser Glück erkennen und wie definieren wir es – und warum?

Woher kommt die Verbundenheit von Menschen, die sich immer wieder in der einen Frage treffen: Wer bin ich? Und: Woher komme ich, wohin gehe ich? Ein glücklicher Mensch ist jemand, der in seinem Leben einen Sinn erkennt. Er kann bei sich selbst wohnen, ist in seinem Körper daheim und begegnet seinen Gedanken mit einer guten Stimmung.

Woher kommen unsere Gefühle? Sie mögen biochemisch in ihrer Entstehung erforschbar sein, aber weiter bringt uns das nicht wirklich. Dennoch ist die Seele der Ort, wo wir mit uns ausmachen, ob eine Aussage wahr ist oder nicht. Hier, in unserer gefühlten und empfundenen Mitte spüren wir jenseits aller Gedanken unserem Selbst nach und wissen ganz für uns allein in aller Stille (der Geist ruht), was nicht übertönt werden kann durch den Lärm und Aufruhr der täglichen Unwägbarkeiten: Es gibt einen Kern in unserem Wesen.

Die Seele lässt sich mit Gedanken, mit Logik, mit Esoterik nicht knacken, aufbrechen. Sie ist jener Teil in uns, der vor der vergehenden Zeit keine Angst hat. Sie kennt die Zeit, als hätte sie diese erfunden. Und wir spüren diesem Inneren in uns nach, weil wir ganz unbestimmt fühlen, dass sie uns der Trost und Hort ist, in dem wir all unser Rennen und Kämpfen aufgeben können, weil wir in uns selbst ruhen und erfahren dürfen, dass das wahre Fortkommen im Loslassen liegt: Die Zeit gehen lassen können, vergehen, in ihr leben, ohne Sorge für das Morgen, lebendig, in dem wir jede Hektik aufgeben und in der Stimmung der inneren Geborgenheit wach werden.

Geist

Wir? Ich? Was ist das eigentlich? Was sind unsere Vorstellungen wert? Alles und nichts vielleicht, sollten wir sie daran messen, wie real das ist, was wir in unseren Gedanken aufnehmen, hin und her wälzen und einordnen.
Wir formen Welten in unseren Gedanken. Unser Geist versucht, sich Bilder zu machen und uns die Welt zu erklären. Wir wollen, wir müssen uns oreintieren.

Es gibt Menschen, die alles auf unsere Hirnströme zurückführen. Alles, was wir uns an innerer Mitte denken, ist nur eine Produktion unseres Hirns. Imagination, die wir gewissermassen gegenständlich machen. Wir geben ihm eine Form. Woher aber kommt der Impuls, Sinn erkennen zu wollen? Die Gedanken sind ja nur das Ergebnis davon. Woher kommen denn unsere Fragen? Wessen Geist sind sie?

Wenn jemand geistreich ist, einen lebendigen Geist hat, was meinen wir damit? Er besitzt einen wachen Verstand. Ein heller Kopf. Ein Mensch, der nachdenkt, sich seine Gedanken macht und ihnen in Worten, Bildern oder Tönen eine Gestalt gibt, sie formt und mitteilen kann.
Gedanken treiben uns um, lassen uns abwesend erscheinen. Sie sind nicht reif, um besprochen, gesprochen zu werden. Sie werden gewälzt. Sprechen wir sie aus, so ist es, als würden wir sie ablegen. Und dabei einen neuen aufnehmen.

Was aber macht unseren Geist aus? Warum wird uns eine Frage eingegeben? Unser Geist ist eine Art Gefäss, in dem die Eindrücke aller unserer Sinne sich mit unserem Verstand verbinden sollen. Je nachdem, wieviel Kontrolle wir für unsere Sicherheit zu benötigen glauben, dominiert die Ratio mehr als das Gefühl. Wir leiten Frage und Antwort daran ab. Bleibt unser Geist wach und wollen wir leben, wird er immer damit zu rechnen haben, dass ihn eines Tages eine ganz neue Frage oder eine uralte neu und viel stärker umtreibt, als wir es je vermutet hätten.
Bis zu jenem Punkt, wo unser Geist das Denken aufgeben möchte, weil dahinter Wahrheiten warten, für die wir im Geist keine Bilder haben, sondern vielleicht nur noch Farben oder ein Gefühl, das Gedankenleere erträgt. Geistig ganz real.

Körper

Nüchtern betrachtet, ist unser Körper einfach mal ein Gefäss, eine Hülle mit Inhalt. Das besondere an ihm ist, dass sein Inhalt lebt. Er bildet eine Art Universum, ein Perpetuum Mobile, dessen Antriebsenergie nur zu erahnen scheint, der sich abnützt, ja, aber nur sehr langsam, wenn auch schnell genug, dass wir darüber klagen mögen. Wir, die wir in diesem Körper wohnen, wie wir gerne sagen, tun uns oft schwer, eine richtige Beziehung zu ihm aufzubauen. Wir finden ihn, seit es Spiegel gibt, meistens nicht besonders schön (wenn es unser eigener ist) oder werden umgekehrt magisch von ihm angezogen (wollen Sie oder Ihn in diesem fremden Körper erobern). Das Fremde an ihm soll vertraut werden, die Berührung, die Wärme suchen wir, und es ist, als würden wir dabei ein wenig Versöhnung feiern mit "uns selbst", dem eigenen materiellen Ist, in dem wir uns für unsere Umwelt manifestieren und in das hinein wir fragen: Wer bin ich?

Alles in diesem Körper, was Materie ist oder scheint, ist viel flüssiger, als wir glauben. Alles pulsiert, erneuert sich laufend, jede Zelle befindet sich im beständigen Wandel, und das einzige, was sich zu ändern scheint, ist die Fähigkeit zu diesem Wandel, das Tempo der Erneuerung. Mit dem Altern wird gleichsam der veränderte Wandel spürbar…

Dagegen erscheint uns so mancher Körper statisch, tot. Ein Stein, ein Kunststoffteil. Ein Gebrauchsgegenstand wie ein Tisch. Wir formen Körper, malen sie an, lackieren oder imprägnieren sie. Wir wollen das Beständige an ihnen noch verlängern, verewigen. Wir finden selten Trost im Bewusstsein, dass alles geboren wird und stirbt. Wir wollen erhalten, konservieren, anhalten, was nicht angehalten werden kann. Wie weit ist unser Hang zu Besitz das Ergebnis dieser falschen Wahrnehmung?
Unser Körper ist in seiner ganzen Erneuerungsfähigkeit und Wandelbarkeit, in seinem pulsierenden Leben, für das er uns in jeder Zelle ein Gleichnis zeichnet, der erste Zugang zu uns selbst. Mag er uns noch so fremd erscheinen.

Dienstag, 15. Juli 2008

Verkaufen

Wer im Internet etwas verkaufen will, glaubt gerne an die ultimativ durchschlagende Idee, bringt diese ins Netz und wartet dann gespannt darauf, wie schnell sie "Erfolg" hat.
Mal abgesehen, dass sich Erfolg kaum messen lässt und der wohl dann kaum je eintreten wird, wenn er aus monetären Einnahmen bestehen sollte, zeigt sich oft ein komisches Verhältnis zum drohenden Aufwand, sich erklären zu müssen.

Seine Idee erklären, ein Modell vorführen, ein Prinzip veranschaulichen, ein Beispiel illustrieren - das alles ist nicht, ist nie unter der Würde eines Verkäufers. Wer verkaufen will, muss sich erklären, muss sein Angebot darlegen, und noch der misstrauischste potentielle Kunde ist es wert, angehört zu werden. Die Zweifel anderer sind derAntrieb zur eigenen Verbesserung.

Nur Missliebigkeit darf aussortiert werden. Was aber immer aus der Beschäftigung mit mir und meinem Angebot an Rückmeldung kommt, habe ich ernst zu nehmen. Es gibt keine Chance, ein Problem nicht ernst zu nehmen. Alles kann wichtig sein. Und das Verkaufte muss mir so in der Hand und im Geist liegen, dass ich, gestählt duch die Qualen der Kritik, überzeugt bin, das Richtige anzubieten und den Markt durchschaut zu haben.

Und selbst dann geht es nach meiner Überzeugung gleich weiter. Wenn gezögert wird, habe ich den Weg zu wenig klar aufzeigen könnnen, wenn über die Benutzerführung lamentiert wird, habe ich zu wenig klar vorausgedacht oder programmiert, wenn eine Kleinigkeit moniert wird, sehe ich eventuell das drohende grosse Problem dahinter nicht. Ich muss bereit sein, mich selbst zu erklären, während ich das Produkt erkläre.
Wird es abgelehnt, darf ich dennoch nicht glauben, dass auch ich abgelehnt werde - und wenn doch, muss ich das vergessen können und die nächste Klinke ansteuern. Mit Optimismus, nicht mit Todesverachtung.

Verkäufer sind Optimisten. Darum werden sie auch gerne als Schaumschläger gesehen.

Wer aber genügend rudert, bekommt eines zurück: Respekt vor der eigenen Arbeit. Möglich, dass es nicht zum Überleben reicht, aber zum Leben mit sich selbst ist es eine gute Grundlage. Eine mit Stil.

Montag, 7. April 2008

Verdacht

Der Verdacht hat eine Kraft, die, eben erst entstanden, eine nagende, schwellende Macht entwickelt, wie ein Geschwür. Einmal gesetzt, lässt er sich nicht mehr ausrotten. Und er erhebt Ansprüche, will lauter werden, sich festsetzen, keinen anderen Gedanken mehr zulassen.
Mit dem Verdacht wird gespielt, gearbeitet. Er wird gesät und die Ernte ist niemals süss.
Verdacht zerstört Vertrauen oder legt offen, wo dieses nie bestand. Der Verdacht ist die schwerste Prüfung für eine Freundschaft, ja hat sie eigentlich schon unterlaufen.
Dem Verdacht kann begegnet werden, mit Offenheit. Ein Verdacht kann aber auch geschürt werden, und es liegt in diesem Fall in der Natur der Sache, dass er unter Umständen um so schwerer auszumerzen ist.
Der Verdacht liebt die Vermutung, denn sie kann in seinem Sinn gesteuert werden. Der Verdacht weiss, wohin er will und duldet im Grunde keinen Widerspruch mehr. Er besiegt die Vermutung.
Der Verdacht würde sterben, würde er zur Gewissheit. Seinem Wesen entspricht, dass er, so lange er wütet, Wunden frisst, die vielleicht über die Gewissheit hinaus Narben schlagen. Denn die Qual, die der Verdacht schürt, kann schlimmer sein als die Gewissheit, denn mit ihr ist besser umzugehen.
Das Ungewisse, das der Verdacht als sein Wissen reklamiert, hindert uns je länger je mehr, nicht auch zu vermuten, um dann auch zu verdächtigen und zum Komplizen des Verdachts zu werden.
Wir verdächtigen vielleicht mit, ohne mehr zu wissen, denn sonst müssten wir ja nicht mehr verdächtigen.
Je ungeheuerlicher der Verdacht, um so faszinierender ist er. Und richtet er sich gegen Personen, die wir eh im Verdacht haben, zu manipulieren, so ist er viel leichter aufrecht zu erhalten und kaum mehr auszumerzen.
"Wir haben es ja schon immer gewusst", sagen wir dann. Und nie haben wir mehr gelogen, ohne es wissen oder sehen zu wollen. Wo Rauch ist, ist auch Feuer, sagen wir dann und andere Weisheiten. Und diejenigen, die in die Glut blasen, um das Feuer zu schüren, sind niemals die Brandstifter, weil sie nicht die Faszination des Opfers haben, das mal Täter war.
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