Montag, 3. November 2008

Natürlich

Natürlich sein - wenn wir das jemandem attestieren, dann ist das ein grosses Kompliment. Wir meinen damit, dass er ganz "sich selbst" geblieben ist, vielleicht, obwohl ihm ein grosser Erfolg gelungen ist. Wir reden so von neuen Stars, bzw. bekommen es zu hören aus deren Umfeld, wobei es oft wie eine Versicherung klingt, fast ein bisschen so, wie wenn der Erfolgreiche betont, das Wichtigste wäre ihm die Familie...
Aber bleiben wir beim Thema: Natürlich sein, bedeutet also, bei sich selber sein, sich selbst sein. Was meinen wir damit? Wie können wir als lebende Wesen überhaupt anders? Können wir? Ja, wir wissen es selbst. Wir können uns verlieren, in Vergleichen gefangen sein, im vorauseilenden Denken, wie wir wohl beurteilt werden, und dann spielen wir eine Rolle, wir versuchen, Wahlkämpfer für uns selbst zu sein. Wenn wir für uns selbst werben, dann sollten wir das aber damit machen, dass wir ganz "natürlich" sind. Dass wir also nicht über unsere Wirkung nachdenken, sondern sind. Und das tun, was uns eingegeben bleibt, wenn die Eitelkeit abgelegt ist.
Wir möchten nämlich eins sein mit der Zeit, die uns so knapp erscheint, zu schnell läuft, flüchtig ist wie ein Gas und gleichzeitig bedrohlich in ihrem Fortschreiten. Wir möchten eins sein mit unserem Fühlen, möchten Körper, Gedanken und Emotionen im Einklang halten und geborgen sein in unserem Umfeld.
Wir schauen den Tieren zu, die solche Probleme nicht zu haben scheinen. Sie leben einfach. J.R. von Salis hat das so formuliert, dass er sich wünscht, er möge lernen, "wie die Tiere dem Leben recht zu geben". Da war er 90 Jahre alt, und hatte wohl davon schon eine ganze Menge umgesetzt. Und als fürwahr denkender Mensch dabei sicher selbst oft gegen die fehlende Demut gekämpft, Dinge auch einfach geschehen zu lassen. Am Ende des Lebens aber kommt man der Natur näher und wird sich zwangsläufig bewusst, dass man Teil von ihr ist und damit im Werden und Vergehen sich erfüllt sehen muss - zumindest in der für uns wahrnehmbaren Existenz.
Wenn wir das können, in der ganzen Lebendigkeit unserer Sinne, dann leben wir wirklich natürlich - und können auch natürlich finden und akzeptieren, was zwangsläufig geschieht. Wir mögen weiter nach dem Warum fragen. Aber wir finden auch dafür dann wohl eher Wahrheiten, weil wir nicht gegen das Zwangsläufige und sich Erfüllende ankämpfen wollen. Nicht länger. Wir wollen dann vielmehr Teil davon sein. Natur. Und uns endlich spüren und entdecken.

Sonntag, 21. September 2008

Seele

Wir mögen mit unserem Körper fühlen, riechen, sehen, hören, mit unserem Geist denken. Doch woher kommt die Stimmung, in der wir das tun? Was beeinflusst unser Glück, was lässt uns unser Glück erkennen und wie definieren wir es – und warum?

Woher kommt die Verbundenheit von Menschen, die sich immer wieder in der einen Frage treffen: Wer bin ich? Und: Woher komme ich, wohin gehe ich? Ein glücklicher Mensch ist jemand, der in seinem Leben einen Sinn erkennt. Er kann bei sich selbst wohnen, ist in seinem Körper daheim und begegnet seinen Gedanken mit einer guten Stimmung.

Woher kommen unsere Gefühle? Sie mögen biochemisch in ihrer Entstehung erforschbar sein, aber weiter bringt uns das nicht wirklich. Dennoch ist die Seele der Ort, wo wir mit uns ausmachen, ob eine Aussage wahr ist oder nicht. Hier, in unserer gefühlten und empfundenen Mitte spüren wir jenseits aller Gedanken unserem Selbst nach und wissen ganz für uns allein in aller Stille (der Geist ruht), was nicht übertönt werden kann durch den Lärm und Aufruhr der täglichen Unwägbarkeiten: Es gibt einen Kern in unserem Wesen.

Die Seele lässt sich mit Gedanken, mit Logik, mit Esoterik nicht knacken, aufbrechen. Sie ist jener Teil in uns, der vor der vergehenden Zeit keine Angst hat. Sie kennt die Zeit, als hätte sie diese erfunden. Und wir spüren diesem Inneren in uns nach, weil wir ganz unbestimmt fühlen, dass sie uns der Trost und Hort ist, in dem wir all unser Rennen und Kämpfen aufgeben können, weil wir in uns selbst ruhen und erfahren dürfen, dass das wahre Fortkommen im Loslassen liegt: Die Zeit gehen lassen können, vergehen, in ihr leben, ohne Sorge für das Morgen, lebendig, in dem wir jede Hektik aufgeben und in der Stimmung der inneren Geborgenheit wach werden.

Geist

Wir? Ich? Was ist das eigentlich? Was sind unsere Vorstellungen wert? Alles und nichts vielleicht, sollten wir sie daran messen, wie real das ist, was wir in unseren Gedanken aufnehmen, hin und her wälzen und einordnen.
Wir formen Welten in unseren Gedanken. Unser Geist versucht, sich Bilder zu machen und uns die Welt zu erklären. Wir wollen, wir müssen uns oreintieren.

Es gibt Menschen, die alles auf unsere Hirnströme zurückführen. Alles, was wir uns an innerer Mitte denken, ist nur eine Produktion unseres Hirns. Imagination, die wir gewissermassen gegenständlich machen. Wir geben ihm eine Form. Woher aber kommt der Impuls, Sinn erkennen zu wollen? Die Gedanken sind ja nur das Ergebnis davon. Woher kommen denn unsere Fragen? Wessen Geist sind sie?

Wenn jemand geistreich ist, einen lebendigen Geist hat, was meinen wir damit? Er besitzt einen wachen Verstand. Ein heller Kopf. Ein Mensch, der nachdenkt, sich seine Gedanken macht und ihnen in Worten, Bildern oder Tönen eine Gestalt gibt, sie formt und mitteilen kann.
Gedanken treiben uns um, lassen uns abwesend erscheinen. Sie sind nicht reif, um besprochen, gesprochen zu werden. Sie werden gewälzt. Sprechen wir sie aus, so ist es, als würden wir sie ablegen. Und dabei einen neuen aufnehmen.

Was aber macht unseren Geist aus? Warum wird uns eine Frage eingegeben? Unser Geist ist eine Art Gefäss, in dem die Eindrücke aller unserer Sinne sich mit unserem Verstand verbinden sollen. Je nachdem, wieviel Kontrolle wir für unsere Sicherheit zu benötigen glauben, dominiert die Ratio mehr als das Gefühl. Wir leiten Frage und Antwort daran ab. Bleibt unser Geist wach und wollen wir leben, wird er immer damit zu rechnen haben, dass ihn eines Tages eine ganz neue Frage oder eine uralte neu und viel stärker umtreibt, als wir es je vermutet hätten.
Bis zu jenem Punkt, wo unser Geist das Denken aufgeben möchte, weil dahinter Wahrheiten warten, für die wir im Geist keine Bilder haben, sondern vielleicht nur noch Farben oder ein Gefühl, das Gedankenleere erträgt. Geistig ganz real.

Körper

Nüchtern betrachtet, ist unser Körper einfach mal ein Gefäss, eine Hülle mit Inhalt. Das besondere an ihm ist, dass sein Inhalt lebt. Er bildet eine Art Universum, ein Perpetuum Mobile, dessen Antriebsenergie nur zu erahnen scheint, der sich abnützt, ja, aber nur sehr langsam, wenn auch schnell genug, dass wir darüber klagen mögen. Wir, die wir in diesem Körper wohnen, wie wir gerne sagen, tun uns oft schwer, eine richtige Beziehung zu ihm aufzubauen. Wir finden ihn, seit es Spiegel gibt, meistens nicht besonders schön (wenn es unser eigener ist) oder werden umgekehrt magisch von ihm angezogen (wollen Sie oder Ihn in diesem fremden Körper erobern). Das Fremde an ihm soll vertraut werden, die Berührung, die Wärme suchen wir, und es ist, als würden wir dabei ein wenig Versöhnung feiern mit "uns selbst", dem eigenen materiellen Ist, in dem wir uns für unsere Umwelt manifestieren und in das hinein wir fragen: Wer bin ich?

Alles in diesem Körper, was Materie ist oder scheint, ist viel flüssiger, als wir glauben. Alles pulsiert, erneuert sich laufend, jede Zelle befindet sich im beständigen Wandel, und das einzige, was sich zu ändern scheint, ist die Fähigkeit zu diesem Wandel, das Tempo der Erneuerung. Mit dem Altern wird gleichsam der veränderte Wandel spürbar…

Dagegen erscheint uns so mancher Körper statisch, tot. Ein Stein, ein Kunststoffteil. Ein Gebrauchsgegenstand wie ein Tisch. Wir formen Körper, malen sie an, lackieren oder imprägnieren sie. Wir wollen das Beständige an ihnen noch verlängern, verewigen. Wir finden selten Trost im Bewusstsein, dass alles geboren wird und stirbt. Wir wollen erhalten, konservieren, anhalten, was nicht angehalten werden kann. Wie weit ist unser Hang zu Besitz das Ergebnis dieser falschen Wahrnehmung?
Unser Körper ist in seiner ganzen Erneuerungsfähigkeit und Wandelbarkeit, in seinem pulsierenden Leben, für das er uns in jeder Zelle ein Gleichnis zeichnet, der erste Zugang zu uns selbst. Mag er uns noch so fremd erscheinen.

Sonntag, 7. September 2008

Geschenkpapier

Geschenke müssen nicht immer eingepackt werden, um zu gefallen. Aber wenn sie nicht spontan gemacht werden, sondern quasi auf Ansage, also zum Geburtstag oder zu Weihnachten, so sind sie es fast immer.
Das Geschenkpapier hat dabei ein paar grundsätzliche unverwechselbare Eigenschaften. Es ist bunt. Früher war es meist grell bunt, heute kommt es viel eher gediegen und dezent daher. Dafür glitzert es mehr.
Und es knistert. Es steht dabei eigentlich fast schon gesetzmässig auf gutem Fuss mit weiblichen Händen und widersetzt sich störrisch sperrig jeder männlichen Hand: Die einen gehen liebevoll damit um, vor allem beim Einpacken, die anderen ungeschickt und ungeduldig - beim Ein- und Auspacken.
Geschenkpapier freut uns, obwohl wir schon während dem Auspacken denken: Wie aufwendig! Worauf wir an die Entsorgung schon gar nicht denken mögen - Farbstoffe? Beschichtungen?
Ein Geschenk muss auch immer perfekter werden. Und da dies sehr schwierig zu erreichen ist, böse Zungen behaupten, das läge daran, dass wir uns immer weniger gut kennen würden, muss es mindestens mit dem Geschenkpapier erreicht werden: Also ist die Verpackung höchst selten nur einfach aus Papier, sondern hat Rüschchen, Bändchen, Schlaufen und eher zusätzlich statt an Stelle davon auch noch ein Gebambel dran. Ein Glöckchen oder Fliegenpilz sollte es nicht sein, aber irgend etwas, das exklusiv und sehr individuell aussieht, auch wenn wir es genau so wie das Papier im Regal gekauft haben.
Das einzige Problem: Es ist zu befürchten, dass zum Geschenk auch noch eine Karte gehört. Und die muss beschrieben werden.
Immerhin kann man darauf hoffen, dass die Ungeduld beim Auspacken so gross ist, dass die Karte gar nicht gelesen wird und danach zusammen mit dem Papier achtlos oder versehentlich entsorgt wird. Aber eben: Sicher können Sie nicht sein. Also müssen Sie was schreiben.
Spätestens jetzt sollte man sich also über den Adressaten Gedanken machen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht in diesem Moment ohne Zweifel feststellen, dass Sie ein völlig unpassendes Geschenk eingepackt haben - oder einpacken liessen...

°

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Dienstag, 15. Juli 2008

Verkaufen

Wer im Internet etwas verkaufen will, glaubt gerne an die ultimativ durchschlagende Idee, bringt diese ins Netz und wartet dann gespannt darauf, wie schnell sie "Erfolg" hat.
Mal abgesehen, dass sich Erfolg kaum messen lässt und der wohl dann kaum je eintreten wird, wenn er aus monetären Einnahmen bestehen sollte, zeigt sich oft ein komisches Verhältnis zum drohenden Aufwand, sich erklären zu müssen.

Seine Idee erklären, ein Modell vorführen, ein Prinzip veranschaulichen, ein Beispiel illustrieren - das alles ist nicht, ist nie unter der Würde eines Verkäufers. Wer verkaufen will, muss sich erklären, muss sein Angebot darlegen, und noch der misstrauischste potentielle Kunde ist es wert, angehört zu werden. Die Zweifel anderer sind derAntrieb zur eigenen Verbesserung.

Nur Missliebigkeit darf aussortiert werden. Was aber immer aus der Beschäftigung mit mir und meinem Angebot an Rückmeldung kommt, habe ich ernst zu nehmen. Es gibt keine Chance, ein Problem nicht ernst zu nehmen. Alles kann wichtig sein. Und das Verkaufte muss mir so in der Hand und im Geist liegen, dass ich, gestählt duch die Qualen der Kritik, überzeugt bin, das Richtige anzubieten und den Markt durchschaut zu haben.

Und selbst dann geht es nach meiner Überzeugung gleich weiter. Wenn gezögert wird, habe ich den Weg zu wenig klar aufzeigen könnnen, wenn über die Benutzerführung lamentiert wird, habe ich zu wenig klar vorausgedacht oder programmiert, wenn eine Kleinigkeit moniert wird, sehe ich eventuell das drohende grosse Problem dahinter nicht. Ich muss bereit sein, mich selbst zu erklären, während ich das Produkt erkläre.
Wird es abgelehnt, darf ich dennoch nicht glauben, dass auch ich abgelehnt werde - und wenn doch, muss ich das vergessen können und die nächste Klinke ansteuern. Mit Optimismus, nicht mit Todesverachtung.

Verkäufer sind Optimisten. Darum werden sie auch gerne als Schaumschläger gesehen.

Wer aber genügend rudert, bekommt eines zurück: Respekt vor der eigenen Arbeit. Möglich, dass es nicht zum Überleben reicht, aber zum Leben mit sich selbst ist es eine gute Grundlage. Eine mit Stil.

Dienstag, 29. April 2008

Aufmerksamkeit

Eine Frau ist 24 Jahre lang die Gefangene Ihres Vaters, ein Mädchen bleibt acht Jahre in den Händen eines unscheinbaren Mannes, ein Arbeitsloser steht unbeobachtet an der Ecke des Einkaufszentrums und versucht ein Magazin zu verkaufen. Die Nachbarin im unteren Stock - niemand hat sie je so genau gesehen, scheint es. Das schiefe Gesicht im Tram - wir meiden es.
Wir sehen nicht hin. Und das mit System. Wir gehen sogar so weit, dass wir das taktvoll nennen und es auch noch glauben.
Wir sehen nicht hin. Aber wir glotzen, wenn ein Unfall geschehen ist. Wir sind Passanten, wenn eine Frau belästigt wird, und wir versuchen, so sehr weg zu sehen, dass wir den Grund dafür schon gar nicht mehr erkennen und damit auch weniger ein schlechtes Gefühl dabei haben.
Aber indem wir diese Technid des Wegsehens so sehr verinnerlicht haben, sehen wir gar nichts mehr. Die Tulpen vor dem Fenster beginnen ohne uns zu blühen, die Ritzen im Mauerwerk werden von kleinsten Pflanzen geweitet, nie würden wir es beachten. Im Rinnstein schwimmt ein Papierfötzelchen, als wär's ein Mississippi-Dampfer. Im Gulli rauscht das Abwasser, als stünde man an einem Gebirgsbach. Seit Wochen haben unsere Füsse keine Erde berührt. Was sage ich. Seit Monaten. Wir leben, weil wir atmen. Nicht weil wir einatmen.
Die Sonne fühlen wir, weil wir geblendet werden, womöglich beim Autofahren. Es ist, als sässen wir ständig in einer Kiste, haben immer einen Zaun um uns, eine Mauer, Grenzen, bis hierher und nicht weiter.
Aufmerksam sind wir, wenn es darum geht, bestätigt zu sehen, was wir eh zu wissen glauben. Das braucht viel weniger Energie als die Beachtung des Neuen, Unvertrauten, unsicher machenden Phänomens.
Wissen Sie noch, wie das war, als Kind? Wie wenig es brauchte, dass man seine Geschichte zu spinnen begann, ja dass man sie lebte, in sie versank, zum Helden wurde. Was haben wir weniges gebraucht, um unsere Phantasie in Gang zu setzen, und nichts war uns zu gross, es nicht mindestens zu denken. Und unsere Augen waren geöffnet, die Lider nicht schwer, wir wurden nur müde, weil wir zu viel sahen, ganz bestimmt nicht, weil uns alles grau erschien.
Und wir, als Kind, haben hingesehen, im Tram. Mit offenem Mund. Wir ätten vielleicht gar bei der Frau unten durchs Schlüsselloch geschaut, und durch des Nachbars Zaun gesperbert. Kindern entgeht nichts. Am wenigsten unsere fehlende Aufmerksamkeit.

Montag, 14. April 2008

Virtuell

Der virtuelle Raum wird eigentlich meist als Gegenbegriff gebraucht. Er scheint ohne sein Gegenstück "real" oder "reell" gar nicht denkbar. Es ist der Versuch, eine Wirklichkeit zu beschreiben, von der wir doch annehmen, dass sie künstlich bleibt.
Wir haben für alle unsere Bewegungen im Internet Begriffe, die aus unserem wirklichen Leben stammen. Wir beschreiben physisch bebildert, was in einer verdrahteten Gedankenwelt passiert, in der wir "Surfen", "Diskutieren", "Treffen", uns "Verabreden".
Ein Netz ist es, in dem wir uns tummeln. Ein Datennetz, einerseits so fest verwebt, dass nichts verloren geht, andererseits mit so vielen Löchern, dass wir laufend verloren gehen können.
Und doch bekommen wir einen virtuellen Puls, wenn wir uns einlassen. Es gibt an jeder Ecke eine Gelegenheit, ein Ansprechen, dem wir uns verschreiben könnnen. Wir können kommentieren, Kontakt suchen. Richtig stellen. Provozieren. Wir können von weit her kommen, uns einmischen und in ein Haus eindringen. Unsere Spuren hinterlassen und die Füsse abwischen oder auch nicht, ungefragt, aber bitte, wenn die Tür nicht abgeschlossen ist? Wir können am Laufmeter eine Art e-mail-Kommunikation betreiben, uns genüsslich die Antwort überlegen, die Emotion hochkochen lassen und dann einen Gegenangriff starten.
Wir können auch einfach nur surfen, Information schaufeln, staunen, dass wir in fünf Minuten Tageszeitungenn aus allen Kontinenten auf den Bilschirm rufen können. Wir schaufeln Information, schaufeln Daten, ohne dass es je Wissen werden könnte. Wir gleichen Studenten, die sich ins Studium stürzen und von allem etwas hören, auch sich eine Meinung bilden daraus, denn schliesslich diskutiert man mit.
Eine Art Bildungs-Bürgertum wird vielerorts diskutiert, sobald man der virtuellen Welt eine Realität geben will, und wer will das nicht. Denn wir wollen uns zurecht finden in allen Welten, die wir entdecken. Und wir wollen Spuren hinterlassen, so bald wir denken, dass ehrbar sein kann, was wir tun.
Es ist faszinierend und erschreckend zugleich, welches Echo wir haben können, welche Vervielfältigung sich einstellen mag, vielleicht, und was wir wohl dafür tun müssen? Und bei alledem blasen wir unser Ego auf oder tragen es schlaff im nassen Sack hinter uns her, schon lange, bevor wir es bemerken.
Die reale Konsequenz virtueller Erfahrungen - wir tragen sie mit uns selber aus, fernab der Tastatur...

Montag, 7. April 2008

Verdacht

Der Verdacht hat eine Kraft, die, eben erst entstanden, eine nagende, schwellende Macht entwickelt, wie ein Geschwür. Einmal gesetzt, lässt er sich nicht mehr ausrotten. Und er erhebt Ansprüche, will lauter werden, sich festsetzen, keinen anderen Gedanken mehr zulassen.
Mit dem Verdacht wird gespielt, gearbeitet. Er wird gesät und die Ernte ist niemals süss.
Verdacht zerstört Vertrauen oder legt offen, wo dieses nie bestand. Der Verdacht ist die schwerste Prüfung für eine Freundschaft, ja hat sie eigentlich schon unterlaufen.
Dem Verdacht kann begegnet werden, mit Offenheit. Ein Verdacht kann aber auch geschürt werden, und es liegt in diesem Fall in der Natur der Sache, dass er unter Umständen um so schwerer auszumerzen ist.
Der Verdacht liebt die Vermutung, denn sie kann in seinem Sinn gesteuert werden. Der Verdacht weiss, wohin er will und duldet im Grunde keinen Widerspruch mehr. Er besiegt die Vermutung.
Der Verdacht würde sterben, würde er zur Gewissheit. Seinem Wesen entspricht, dass er, so lange er wütet, Wunden frisst, die vielleicht über die Gewissheit hinaus Narben schlagen. Denn die Qual, die der Verdacht schürt, kann schlimmer sein als die Gewissheit, denn mit ihr ist besser umzugehen.
Das Ungewisse, das der Verdacht als sein Wissen reklamiert, hindert uns je länger je mehr, nicht auch zu vermuten, um dann auch zu verdächtigen und zum Komplizen des Verdachts zu werden.
Wir verdächtigen vielleicht mit, ohne mehr zu wissen, denn sonst müssten wir ja nicht mehr verdächtigen.
Je ungeheuerlicher der Verdacht, um so faszinierender ist er. Und richtet er sich gegen Personen, die wir eh im Verdacht haben, zu manipulieren, so ist er viel leichter aufrecht zu erhalten und kaum mehr auszumerzen.
"Wir haben es ja schon immer gewusst", sagen wir dann. Und nie haben wir mehr gelogen, ohne es wissen oder sehen zu wollen. Wo Rauch ist, ist auch Feuer, sagen wir dann und andere Weisheiten. Und diejenigen, die in die Glut blasen, um das Feuer zu schüren, sind niemals die Brandstifter, weil sie nicht die Faszination des Opfers haben, das mal Täter war.

Montag, 31. März 2008

Geburtstag (40 Jahre plus 8)

10-Min-Gastbeitrag von paz


erst heute abend habe ich gemerkt, dass ich seit vierzig jahren acht
bin. grad während einer diskussionsrunde am fernsehen, ein
alt-achtundsechziger, welcher natürlich auch bücher über diese zeit
geschrieben hat, im geistreichen dialog mit dem fernsehmoderator. seine
äusserungen abwägend, sein schwerer kopf in seiner hand. gesucht hätten
sie damals, sagt er, nach modellen und organisationsformen oder
dingsbümsern, was weiss ich. ..."alles kluge köpfe, waren Sie"... sagt
der moderator, und der alt-achtundsechziger, der einige bücher über 1968
geschrieben hat, wiegt seinen schweren kopf bedeutungsschwer in seinen
händen, sagt wenig darauf, man will ja nicht....
na ja, sag ich, 1968 war ich acht jahre alt, meine eltern trieben sich
hin und wieder mit hippies rum, diskutierten auch nächtelang, sangen "we
shall overcome", und hörten musik bis in die morgenstunden, bis wir
kinder aufstehen mussten, unser frühstück selber machten, und uns zur
schule begaben. ich war in der zweiten klasse, hatte eine bildhübsche
lehrerin - fräulein irgendwie, in die sich mein damaliger busenfreund
patrick und ich natürlich auch prompt verliebten. "hello baby",
begrüssten wir sie mal, und sie wurde ein bisschen rot, und hat
geschmunzelt. im folgenden jahr war woodstock, ich neun, und habe mit
kartoffelstempeln ein leintuch zu einem dingbums entstellt, mit vielen
herzen, peace-zeichen, und gross woodstock darauf geschrieben,
beziehungsweise gestempelt. um was es eigentlich ging wusste ich nicht
genau, ausser dass es gegen krieg war, und gegen krieg war ich auch, nur
glaubte mir damals noch keiner.
dann gab es zwölf jahre später eine weitere jugendrevolution, da war ich
schon zwanzig, und es ging um ein alternatives jugendhaus. irgendwie
wusste ich nicht, weshalb sowas gut sein sollte, ich ging trotzdem
demonstrieren. das alternative jugendhaus war nicht so mein stil, ich
arbeitete bereits in einem alternativen restaurant-betrieb mit
basisdemokratischen werten und so. trotzdem ging ich auf die strasse und
hab heftig mitdemonstriert, bekam meine ladung tränengas und wasser ab,
war dabei.
an einer der demonstrationen nahmen wir einen waschbottich mit,
inklusive feuerstelle, und kochten bündner gerstensuppe. es war winterlich kalt, und die leute assen gerne friedlich
eine tasse suppe mit schinkenwürfeln und viel gemüse. auf dem
bürkliplatz war das, und erst noch kostenlos.
bündner gerstensuppe mit schinkenwürfeln und viel gemüse! vive la
revolution!

paz
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Ein richtig guter Text!
Ein richtig guter Text!
iGing (Gast) - 2014.08.07, 23:12

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Zuletzt aktualisiert: 2016.03.26, 15:31

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