Wenig ist uns so heilig wie der Urlaub. Entsprechend stinkig werden wir, wenn in diesen heiligen Wochen etwas nicht klappt. Und so klappt es dann auch oft nicht, zum Beispiel nicht zwischen den Partnern. Zumindest dann, wenn es zuvor schon nicht geklappt hat und man meint, im Urlaub könne man sich zu diesem Thema weiter anschweigen. Urlaub ist also ein Indikator für Gültiges. Und oft viel zu wenig ein Traum...
Aber es muss ja nicht so sein. Vor allem dann nicht, wenn da Anreize gesetzt werden, die einem zeigen, was die Welt alles an Entdeckungen bereit hält. Urlaub als Traum ist daher für mich immer ein Reisen, nie ein Ankommen an einem Punkt, an dem ich dann absinke.
Ich lasse die Seele lieber baumeln, indem ich ihr nachlaufe, an jene Orte, wo sie sich wohl fühlt, wo ich sie klingen höre. Das ist auf Reisen fast automatisch so. Landschaften, die für irgend wen Heimat sein mögen, ziehen vorbei. Alles ist im Fluss, auch ich. Ein Gefühl, eine Offenbarung ist das. und ein Fest. Reisen zu können, das ist für mich die grösste Gunst, die uns die ungerecht verteilende Welt erweist - und der Ansatz dessen, was wir umgekehrt daraus lernen und zurück geben können.
Ein Traumurlaub ist also angeregt vom Erleben des Reisens, vom Unterwegssein, von Begegnungen. Ein Traumurlaub erschliesst ein Stück Fremde, bricht es auf, öffnet es und zeigt mir dadurch Facetten meiner Wurzelstöcke, die ich zuvor nicht kannte.
Ein Traumurlaub ist ein Fest der Erfahrung ruhender Schwerpunkte, die nie aus der Balance bewegt werden können, während ich aus dem "fahrenden Fenster" blicke. Dieser Urlaub ist angereichert und überquellend an Eindrücken für meine Sinne. Alle meine Sinnenenden sind Knospen. Ich habe Geschmacksknospen auf der Haut, Fingerbeeren auf der Zunge, Augen in den Händen, Gerüche im Ohr, zumindest zu Anfang. Und dann, irgendwann, viel zu spät, bekommt alles seinen Platz, und ich nutze die Sinne, wie sie gedacht sind. Nur intensiver.
Und dann, bevor ich nach Hause zurück gehe, denke ich: Hier könnte ich zu Hause sein in meinen Bewegungen. Wenn ich so abreise, dann hatte ich meinen Traumurlaub.
Thinkabout - 2007.04.18, 19:06
Wir sind es alle. Bauchgesteuert, einem Reflex gleich, kommt das Wort geflogen, aus unserem Mund, das verletzt, weil wir uns zuvor selbst stechen liessen in die Eiterbeule unserer Eitelkeit. Oder was auch immer. Suchen Sie es sich aus. Was tun wir nicht alles, was wir bereuen, um dennoch die Muster nicht abstellen zu können, die dazu führen, auch beim nächsten Mal...
Für die Gesellschaft sind Wiederholungstäter Niederlagen. Ein Programm der Wiedereingliederung ist gescheitert. Wir haben sanktioniert, aber es hat nicht den gewünschten Effekt gehabt. Eine Tat wurde gesühnt, aber vielleicht nicht bereut, und ob sie verziehen wurde, wissen wir erst recht nicht zu sagen. Wie viel Kredit oder Strafe braucht ein Missetäter? Dummerweise gibt es ihn nicht, den Archetypen, und damit auch nicht die Anstalt, die zu ihm passt. Zu jedem. Eine Anstalt macht Anstalten, eine Lösung zu suchen, ähnlich hilflos wie der Beanstaltete selbst.
Es gibt Richtlinien, immerhin, Regeln, einseitig angeordnet, zwansgshaft natürlich, nach innen und aussen mit einer gewissen Hilflosigkeit versehen.
Mein Nachbar ist Wiederholungstäter, wenn er die immer gleichen Dinge moniert, und ich bin es auch. Wir nähern uns nicht an, wir sind zu verschieden. Wie wird ein Mensch, der von der Mehrheit verschieden ist, diszipliniert, begradigt, geführt?
Wie viel Aufwand verträgt sich mit unserem Glück, dies selbst nicht zu brauchen, um uns anpassen zu können.
Wie viele Wiederholungen sind eine zuviel? Was ist unsere Schuld, wenn unsere eigene Wiederholung erneut verletzt? Ist die eigene Schuld grösser oder das Leid, das tief in uns zu entdecken wäre, dass wir uns selbst nicht leichter zu ändern vermögen?
Eine wiederholte Tat fördert die Ungeduld. Die Misshandelten haben in ihrem Schreien noch mehr Recht. Und doch ist damit allein nichts gewonnen und kein Geschehen weggeschlossen.
Waren Wiederholungen für uns alle leichter zu vermeiden, wenn die Veränderung an sich mehr gewollt wäre, wenn sie mehr Platz bekäme in unser aller bequemem Leben?
Thinkabout - 2007.04.17, 15:56
Der Anfang vom Ende, wenn die Ehe alltäglich empfunden wird? Nein. Es ist der Anfang vom Rest - und unter Umständen vom besten Teil an diesem Lebensprojekt, an dem so viele junge Menschen nach wie vor bereit sind, ihr Glück fest zu machen. Im Alltag muss die Ehe Halt geben. Sie tut es nicht mit Sensationen, sondern mit sensitiv wahrnehmbar bleibenden Vertrautheiten - täglich, wenn möglich.
Ein altes oder altgedientes Ehepaar, das sich nicht aufgerieben hat, lebt nicht zuletzt von all jenen Dingen, die nicht mehr ausgesprochen werden müssen. Und daneben von den kleinen Kennwörtern, die ganz zu diesem Paar gehören und jedesmal wieder die Geschichte erzählen, wie es dazu kam, wie es kam.
Ehe im Alltag kann unaufgesetzte,unaufgedrängte Verbindlichkeit sein, ein Beieinander, das nicht weniger sein muss als ein Miteinander.
Ist es nicht herrlich, einmal nichts erklären zu müssen?
Und wenn umgekehrt in die Stille des Alltags der einfachste Satz fällt, den die Menschen kennen und der ihnen nie zu banal wird, wahrscheinlich, weil sie nicht erfassen können, wie viel er wirklich zu bedeuten vermag: Ich liebe Dich. Dann IST das eine Sensation. Siehe oben.
Je älter ich werde, desto unaufgeregter braucht das Drumrum zu sein. Je einfacher dieser Satz gesprochen wird, um so schöner wird er.
Um ihn herum erzählt sich ein ganzes Leben und Lieben. Jeden Tag neu, auch wenn er nicht gesprochen wird. Manchmal wird er vielleicht nicht mal gefühlt, nur gewusst. Und manchmal muss man darum kämpfen, das er wieder Leben bekommt. Immer aber ist er etwas Gemeinsames, das Geborgenheit schenkt, aber nicht Gefängnis sein darf. Nie. Es gibt Ehemänner, die Tennis spielen mit Kollegen, weil auch Kollegen wichtig sind. Und es gibt Ehemänner, die es tun, und dabei Ehemänner bleiben: Hobby und Freiräume sind Teil der Liebe, des Alltags, der ein Fest sein kann. Und indem ich voller Freude meinen stillen einsamen Tag begehe oder ebenso leichten Herzens zum Tennis fahre, ehre ich die Liebe meiner Frau.
Zusammen genügsamer werden können - wie erkläre ich Euch, dass dies keine Niederlage ist, sondern neuen Reichtum begründet?!
Thinkabout - 2007.04.16, 19:34
Es wächst ausser Kontrolle. Es wuchert, stört die Ordnung. Meist dehnt es sich in der Fläche aus, macht sich breit, erstickt anderes, das wir geplant und gesetzt und gepflegt haben. Ist es rebellierende Natur oder im von menschen geschaffenen Fauna-Biotop eben auch von Menschenhand zu entfernen?
Wie steht es mit den Un-Dingen generell? Was halten wir alles für ausserhalb der Ordnung stehend, und wie fühlen wir uns selbst in dieser Rolle?
Das meiste Unkraut, das ich kenne, blüht unscheinbar. Ist es deshalb auch für mich Unkraut?
Schönes, das ich geschaffen habe, oder besser, wachsen liess, gezüchtet habe - ich will es mir bewahren, gebe ihm Raum, garantiere ihm Licht. Was ich hinsetze in die Welt, für das trage ich Verantwortung, also bin ich auch sein Gärtner. Ich meine damit nicht nur die Kinder. Ich meine auch eine Meinung. Oder eine reklamierte Haltung. Sie fordert ein Verhalten. Und die Blume muss ich giessen. Pflege - sie selektiert. Immer, im Grunde. Das einzelne lebende Wesen definiert, was liebenswert ist, und was bedrohlich. Nicht alles, was lebt, verträgt sich. Es frisst sich gegenseitig vielmehr auf. Fragt sich nur wann... Unkraut soll nach unserem Willen früher Kompost werden als die Tulpe. Während früheres Unkraut vielleicht gerade der Humus für meine Tulpe ist. Genau jetzt. Jedes Wesen hat seine Zeit und seine Schönheit.
Wer gräbt gerne im Kompost, wühlt ihn um, fördert die Gase? Nichts daran ist schön, aber was aus ihm entsteht, welche Kraft in ihm wohnt, das ist das schönste Wunder überhaupt.
Und so ist es auch bedenkenswert, einfach mal hinzusehen auf einen Flecken, was sich aus dem alten zu Kompost gewordenen Grün neu entwickelt, zu Kraut und Unkraut. Vielleicht ist es eine einzige vierblättrige weisse, unscheinbare Blüte, die irgendwo in einem verflochtenen Teppich sich zum Licht wehrt, die mir auffällt, irgendwann. An diesem einen schattigen Platz ist sie dennoch die grösste Sensation, die einzige.
Wie wir uns betrachten, was wir und wie wir uns sehen - so manches ist Geschick, weit über den Schöpfungsakt hinaus. Und kein anderes Wesen ist nach seiner Schöpfung so sehr in der Pflicht, seinen Schöpfer zu verstehen, wie der Mensch. Warum nur ist diesbezüglich das Unkraut seinem Ursprung so viel näher als wir?
Thinkabout - 2007.04.16, 16:50
Wie viele Worte haben wir für die Sinneswahrnehmungen unserer Augen? Meist benutzen wir sie ohne Nachdenken oder bewusste Selektion. Das eine mag mehr hochdeutsch sein als das andere, aber die möglichen Unterscheidungen gingen tiefer.
Sehen, blicken, schauen. Wir können lugen, gewissermassen gedehnt schauen, oder ist das dann ein gucken? Wie mit allen Sinnen können wir auch mit unseren Augen bewusst "arbeiten" oder zumindest auf Empfang stehen für das Wunderbare, was sie uns melden.
Wenn wir denken, sehen wir im Grunde nach innen. Eigentlich sehen wir immer, selbst das Nichs ist schwarz und damit nicht farblos. Wir denken in Bildern, lesen tun wir sowieso mit unseren eigenen Assoziationen. Wenn wir ein Buch lesen, dann denken wir usn vielleicht auch die Gerüche und die Töne, vor allem aber sehen wir die Welt, die wir uns vor-stellen vor unser inneres Auge.
Wir können bewusst hinsehen, unserer Phantasie auch etwas zutrauen, das grosse Denken während wir im Inneren sehen - und das Kleine beobachten, am Wegesrand, wirklich hinsehen, das Tempo heraus nehmen aus dem Wisch, mit dem wir den Kopf drehen und dabei über die Gegenstände huschen, ohne Halt, ohne Tiefe. Oder aber wir können Filmen, die Schnitte setzen, wie ein Regisseur, Standbilder einfügen, innehalten, bis sich die Knie wie von selbst beugen, weil wir etwas genauer wissen, sehen wollen.
Manchmal ist es ein ganz stilles Wunder, eine alltägliche Sensation, die unheimlich trösten kann: Wenn unser Sehen zum Beobachten wird und wir die Zeit anhalten, sie stehen lassen und sie erhalten bleibt, für ein genaueres Hinsehen.
Und im nächsten Moment gucken wir nach dem Flüchtigen, blicken uns um, geniessen wir die Leichtigkeit rauschender Farben, flüchtiger Lichtpunkte, tanzender Lichter auf welligen Wasserspiegeln. Auch dies kann sehen sein: Genuss ohne Gedanke, Sinnenfreude pur, Sehen mit geschlossenen Augen, der Wärme eine Farbe zuordnen und dem Wind ein Gesicht geben, der die Stirn kühlt...
Thinkabout - 2007.04.15, 20:48
Jetzt kommt sie also wieder, die Zeit, in der wir nur das Notwendigste anhaben und Kleidung mehr Sonnenschutz denn irgend was anderes ist. Dabei wäre es so nett, sie wäre und bliebe auch ein Sichtschutz. Allzu oft blendet nämlich die Sonne viel zu wenig, als dass ich nicht bemerken könnte, wie selbstverständlich vor allem wir Männer unsere unvorteilhaftesten Seiten, von denen es dreiminsional so viel zu viele gibt, zur Schau tragen.
Es ist wirklich unglaublich, wie sehr sich die Werbung, so höre ich es auf jeden Fall immer wieder, nach dem Gusto von uns Dreibeinern ausrichtet und sich in der Folge die Königinnen der Schöpfung nach dem Gutdünken von uns herrichten, während wir in Schlabberbermudas und vierkantiger Sonnenbrille quadratisch praktisch gut in Strandsandeletten durch die Gegend schlurfen.
Niemals wird uns die Zivilisation unvorteilhafter bewusst als dann, wenn Mann zu schwitzen beginnt. Wahrscheinlich ist es uns selbst zumindest unterbewusst so peinlich, dass wir just auf der Spitze dieser Entwicklung meist in Urlaub fahren. In der Ferne ist es erträglicher, irgendwie, und weniger peinlich, so dass wir daselbst durchaus enthemmt unsere überflüssigen Pfunde vor uns her schieben können, ohne dass es dem Nachbar nicht gefallen würde.
Und auf den Fotos zu Hause erkennt man dann, dass es nett war im Urlaub, aber angesichts der Zustände halt doch nur ein Beweis, dass zu Hause alles besser ist. Und da ist die zu tief sitzende Bermuda-Hose und was auch immer sonst noch peinlich sein mag, nur eine Laune der Lässigkeit, angesichts der Tatsache, dass wir es doch eben besser machen als der Rest. Schliesslich fahren WIR so seit in Urlaub und nicht die anderen.
Also, wenn ich mich selbst nicht vor den Spiegel denke und mich ganz bescheiden in ein Café denke, so vor eine Flanierzeile in der Innenstadt, dann schaue ich gerne den Sommerkleidern zu. Denen, die sich um schlanke Hüften legen und um braune Waden wehen, die Trägerinnen geradezu dazu ermuntern, beschwingter zu gehen, und die Sonne scheint plötzlich so, dass ich sie auch wahrnehme. Und dann sehe ich ihn, diesen gut aussehenden jungen Mann, der zwanzig Kilo weniger hat als ich und auch so eine prahlerische Sonnenbrille, so dass ich gar nicht sehe, wie gut er aussieht, und doch weiss ich es. Und ich seufze ganz kurz, doch dann lächle ich. Denn was er erlebt, kenne ich doch, und es ist Erinnerung, die zur beständigen Liebe wurde, heute wie vor zwanzig Jahren, auf einer Steinbank, in der lauen Sommernacht, die es nur für uns gab, und wie ich Dich bewundert habe in Deinem Sommerrock, und wie schön es war, zu wissen, dass ich der glücklichste Mensch auf Erden bin.
Thinkabout - 2007.04.15, 18:36
Wenn Hartnäckigkeit sich in ein Projekt, ein Verhalten, eine Ausdauer verbeisst, wie ein Hund, der eine Beute nicht mehr frei gibt, wird aus der ursprünglich bewunderten Zielstrebigkeit die negativ empfundene Verbissenheit. Wer verbissen an etwas festhält, kann nicht mehr lächeln. Die Fokussierung ist längst zur Verkrampfung geworden. Der Tunnelblick visiert nicht an sondern schottet ab. Geht mir weg, ihr griesgrämigen missliebigen Kritiker, sagt der Sturkopf, der selbst nur einfach noch mürrisch ist.
Und doch gibt es sie, die Granitgrinde, die einfach nur stur im Kraftraum für das sportliche Comeback schuften und irgendwann allen die neuen Trophäen an den Kopf halten wollen, wild entschlossen, dann auch den Erfolg allein zu geniessen.
Wen wir verbissen nennen, dem unterstellen wir Einseitigkeit. Aber wir haben wohl auch ein Gespür dabei, wann etwas nicht mehr gut kommt mit einem Menschen, er sich uns entfremdet. Wenn nur Bewunderung für seine Willenskraft mich mit einem Menschen verbindet, kann ich ihm nicht wirklich nahe kommen. Wie jede Bewunderung, hebt auch diese jemanden von mir ab, weg, hoch. Hier kommt dazu, dass eine Form der Härte gegen sich selbst bewundert wird, die sich auch nach aussen richtet.
"Mir kann niemand was", sagt dieser Mensch, und sucht gleichzeitig die Bestätigung in einer Leistung, die genau diese Niemands am Ende dann doch anerkennen sollen.
Es ist nicht nur im Kraftraum einsam für gewisse Erfolgsmenschen, und die Schulterklopfer "danach" zu erkennen, mag zwar vor Enttäuschungen helfen, aber die Genugtuung, "es" geschafft zu haben, ist deutlich weniger wert als die Freude, auch einen Erfolg teilen zu können.
Wer daher im Gegensatz zum Verbissenen aufgibt, setzt vielleicht einfach Werte anders, hört auf seinen Körper oder ist nicht bereit, jeden Preis zu bezahlen.
Weichere Menschen sind weniger hart. Das zumindest ist wahr.
Lernen aber dürfen wir alle von einander, die Genügsamen auch von den Verbissenenen, die Hartnäckigen von den Flanierern, die Schleicher von den Zielstrebigen. Und alle von einander, wenn die einmal angedachte Ausrichtung nicht durchgehalten werden kann.
Lebensmodelle, Erfolgsstrategien - immer ist am Schluss das gütige Lächeln des realen Lebens die Quelle echter Befriedigung. Und damit auch Grund zur Demut.
Thinkabout - 2007.04.15, 11:55
Schön, wenn es das gäbe. Und das meine ich ernst. Ja, ja, ich weiss, es "gibt" Veranstaltungen dazu. Zurschaustellungen könnte man es wohl auch nennen. Und natürlich wird darüber berichtet. Mann und Frau kann sich ja heute alles ansehen, also wird auch darüber berichtet. Aber wie? Und was gibt es denn wirklich zu berichten?
Die eigentlich fortschrittliche Handlung daran scheint mir mehr die offen gelegte Diskrepanz zu sein:
Was an die Öffentlichkeit gezerrt wird, will scheinen und glänzen, stellt sich dar. Das tut zwar Mode auch. Aber im Gegensatz zu unserer Koketterie des Verhüllens, haben wir beim Enthüllen alles andere als Stil entwickelt. Es scheint geradezu, dass wir, was "endlich" auch noch Thema wird, gleich mit dem Kübel ausleeren müssen, bevor wir uns die Finger verbrennen.
Mag sein, dass so manche(r) dadurch den Mut findet, sich Bedürfnisse einzugestehen.
Aber über Sex öffentlich reden ist schon schwierig genug. Ihn öffentlich zu verkaufen, oder auch nur die Hilfen für sein Erleben, ist fast schon zum Scheitern verurteilt. Mag ja sein, dass heute jeder(r) durch diese Messehallen schreiten kann, aber irgendwie ziehen doch die meisten den Kopf ein, wenn eine andere Kamera als die eigene auftaucht.
Was öffentlich wird, hier, soll ja auch nicht wirklich normal werden. Es sollte doch seinen Zauber behalten. Ob das die Gesellschaft wirklich möglich macht?
Eine Messe im eigentlichen Sinn, ach wäre das schön! Eine Lesung, die sich tatsächlich mit dem Lebensentwurf Liebe und Sex beschäftigt, ohne zu fäkalisieren. In einer anderen Zeit vielleicht, eines Tages.
So an die Öffentlichkeit gezerrt wird nicht wirklich alles besser. Es wird nur öffentlich kompliziert.
Und wenn ich dann kichernde Menschen durch die Gänge schlendern sehe am Fernsehen, dann soll das entkrampfend wirken?
Wir verballhornen alles. Ist einfach fürchterlich, finde ich. Wir reden alle Phänomene normal, und Lügen uns in die Tasche dabei. Mit den sexuellen Spielarten, die wir alle in den Mund und ins Bild nehmen, demaskieren wir genau das am Allerdeutlichsten. Denn selten sprechen so viele Menschen so viele Worte so hohl aus wie in diesem Fall.
Gedruckt, was sage ich, gefilmt wird es dennoch. Passt gut ins Nachmittags-Talk-Programm, und damit wird er uns definitiv genommen, der Sex, als intimes und damit verschwörerisch lustvolles Spiel für Erwachsene.
Thinkabout - 2007.04.14, 15:10
Wenn mir jemand zu einem Stichwortvorschlag schreibt: " Was denkst du über..." dann berührt mich das (ich hoffe, nicht nur mein Ego): Es regt sich so was wie Verantwortungsgefühl: Es ist nicht egal, was Du schreibst. Es wird hingelesen. Ich vesuche dabei einfach, nicht zu verfälschen. Manchmal ist es gut, wirklich drauf los zu schreiben. Fast immer wohl, um die wahre Ehrlichkeit des momentanen Denkens fest zu halten...
Das, was wir "Lebensziel" nennen, ist doch sehr nah an unseren Erwartungen zu unserem Werdegang. 50% arbeiten in der Schweiz mit 40 nicht mehr im angestammten, sprich gelernten Beruf. Das Lebensprinzip ist also zu einem hohen Mass die Veränderung. Gelernt wird in Fortbilundungskursen die immerwährende Anpassung an Anforderungen. Und so ändern sich die Realitäten. Irgendwo war mal ein Wunsch...
Träume. Vorstellungen von einer Stellung, einer Befriedigung in einer Tätigkeit, einem intakten Umfeld, Beziehungen, die funtkionieren. Gefühle, die nicht unterdrückt werden. Eine Heimat, die ein Raum ist, der beschützt ist, in dem ich nicht denken muss, sondern fühlen und leben darf. Nicht fragen, wie wirke ich? Wissen, ich bin als ich gewollt. Ich bin genug.
Das ist für mich Lebensziel: Kein Ziel höher zu setzen als das eigene tiefste Bedürfnis nach Nähe zu meinem Kern. In meinem Jetzt nicht davon schweifen. Und gelassen sein mit mir und meinen Träumen zulächeln. Sie nicht verbittert verabschieden, wenn sie nicht eintreffen, sondern mich daran freuen, was ich gelernt habe, zu erkennen und zu schätzen.
Ein Lebensziel kann es sein, das Leben nicht nützen zu wollen, sondern es zu leben und zu befragen: Was will es mit mir? Was kann ich mit ihm?
Ein Leben wird nicht länger, nur weil ich weiss, dass seine Zeit begrenzt ist. Und würde ich nur bedenken, was ich alles verpasst habe, so könnte ich daran verrückt werden und würde erst recht nicht dahin kommen, wo ich hin will.
Wie soll ich wo hin, wenn ich gar nicht auf meinem eigenen Fahrzeug sitze? Was habe ich in einem Zug verloren, von dem andere sagen, dass ich damit fahren soll?
Wenn es einen Fahrplan für mein Leben gibt, warum mache ich mir dann Gedanken über das Morgen? Vielleicht sollte ich einfach den Morgen begehen, der ist. Jetzt gerade aufstehen und ins Bad gehen und dabei darauf achten, wie sich die Füsse Schritt für Schritt vor einander setzen. Wie ich noch ein bisschen schlurfe und taumle, schläfrig, wie ich bin. Und dann leise lächeln, wenn ich unter der Dusche merke, wie sich ein Zeh leicht spreizt, ohne dass ich was dazu tue, als möchte er sich subversiv am erfrischenden Nass freuen und ein bisschen für sich tanzen.
Vielleicht ist es das grösste Lebensziel, diese bewusste Wahrnehmung der morgendlichen Dusche wiederholen zu können. Gleich morgen früh. Das Schönste, was ich hier doch versprechen kann, ist die Gewissheit, dass - wenn mir das gelingt - mir morgen die nächste wirkliche Wichtigkeit ganz von allein einfallen wird. Ich kann ein Gefühl dafür bekommen, was mein Leben für ein Ziel hat. Und dass dieses Ziel immer gleich vor meiner Nase liegt. Und dass daraus auch wirklich grosse Dinge werden können - wer mag es bestreiten? Nur, ob das wirklich wichtig ist?
Thinkabout - 2007.04.14, 14:17
Jannas Stichwort gehört auch zu jenen, über die ich eh regelmässig nachdenke. Das birgt das Risiko, dass ich irgendwelche Schubladen aufziehe und leere, was hier ja nicht die Idee ist. Was hier durchaus zum Vorschein kommen soll, sind zuminest neue Schubladen, die unter dem spontanen sofortigen und fliessenden Schreiben zum Vorschein kommen.
Ich versuche es mit der Annäherung über ein Bild, das mir eben in den Sinn gekommen ist:
Das leere Glas. Ich kenne das Bild vom halb vollen Glas, das dann eben halb voll und nicht halb leer gesehen werden kann. Aber das leere Glas? Vorbei der Genuss, fern die Flüssigkeit, das Wasser, der Wein. Leere nur. Mangel. Die Leere, die wir fürchten, ist etwas ähnliches in unserem Zeitempfinden: Der Moment, wo die nächste Sekunde, der nächste Augenblick undenkbar wird, die Zeit stehen bleibt, die Sekunden wirklich verrinnen, im Boden versickern und das scheinbar Sinnvolle sich als leerer Tanz von Absonderlichkeiten manifestieren kann. Wenn uns nicht länger trägt, was wir als normalen Lauf des Lebens angesehen haben, wenn wir Sinnlosigkeit ausmachen, dann spüren wir diese Leere, die für uns eine Katastrophe ist.
Es liegt nicht in der Natur unserer westzivilsatorischen Kultur, dass wir in dieser Art Vakuum eine Befreiung sehen. Wir schreien nach dem nächsten Ziel, das uns wieder funktionieren lässt, nach den Menschen, für die es sich lohnt, zu sorgen. Nach dem Fokus, der uns vorwärts schauen lässt, und damit aus uns heraus.
Dabei wäre dieser erstarrte Moment, dieses scheinbare Vakuum die Gelegenheit, eine Blase aufzustechen und aus dem Vakuum frei fliessende Luft zu machen. Leere könnte bedeuten, den Gedanken, die plötzlich nicht mehr denken können, Zeit zu lassen, sie von diesem Zustand, diesem Innehalten neu werden zu lassen. Vielleicht können wir Menschen uns neu erfinden, nein finden, wenn wir die Leere, die am Ende eines Lebens droht, zuvor erleben, zulassen, abrufen, an uns heran lassen. Ausgebrannt sein, leer sein - der scheinbar protestierende Körper, streikend, meldet sich, schreit, hat Ansprüche, will nicht untergehen, sondern schwimmen im Meer der eigenen Seele, die nicht vorwärts rennen sondern in sich gehen möchte.
Wie wäre es schön, einmal, für nur einen ersten Moment, nicht denken zu müssen. Dem Verstand nicht alles überlassen zu müssen, sondern ein Empfinden zu begrüssen, das tief darunter ruht und vielleicht gerade diese Leere braucht, um gehört werden zu können!? Sie ist eine Chance, diese brutale, drohende, schwarze oder kalte Botschaft, die, wenn wir uns auf sie einlassen, plötzlich nur noch bestimmend, mahnend, abgedunkelt (die inneren Augen schärfend) und kühlend empfunden werden muss. Wie ist es mit der Leere, die ausgehalten werden kann? Sie verändert sich. Diese Wandlung begründet eine tiefe innere Stärkung.
Thinkabout - 2007.04.14, 09:12
Zu einer intellektuell übersättigten Gesellschaft gehören auch blubbernde und im Schlick der fabulösen Schlagwortbildung stecken bleibende neue Wortschöpfungen, beliebt für die Kategorie "Unwort des Jahres". Ob das Prekariat dazu gehört? Keine Ahnung.
Junge Schlagworte haben den Nachteil, dass sie sich viel schneller verbreiten, als dass die Leute wirklich wissen, von was die Rede ist. So geht es mir jetzt auch gerade.
Das Prekariat folgt auf das Proletariat? Nicht nur Arbeiter, sondern durchaus auch Angestellte, mit oder ohne Job, deren materielles Auskommen in eher prekärer Verfassung ist…
Ich glaube, solche Schlagworte erfindet eine Gesellschaft, die jenseits aller Ideologien in der Welt der reinen Sachzwänge angekommen ist. Ein Schlagwort wie ein Beweis für den Totschlag des Kommunismus. Auch wenn Du Probleme hast, deine Kinder durchzufüttern, so ist das allenfalls prekär und ich ordne dich auch gerne ein, aber nicht wirklich in einer Klasse, nein, sondern in einer unverbindlicher bleibenden Schnittmenge verschiedener A…-Karten-BesitzerInnen, mit denen wir, die Gesellschaft, so halt ein paar Probleme haben, möge auch lieber nicht diskutiert werden, wer das Problem verursacht haben könnte…
Links und rechts vom kapitalen Weg fällt bei der Globalisierung halt ein wenig Müll an. Unschön, aber objektivierbar. Alle sind mit dem Tellerwäschersyndrom geimpft – und wenn nicht, dann sollen sie es bleiben lassen. Der Staat allerdings soll die Finger davon lassen, denn der Staat braucht unser Geld, auf jeden Fall den Teil, den wir nicht in Sicherheit bringen können.
Prekariat – prekär ist ein wunderbar sachliches und an sich noch wertfreies Wort. Die Schuldzuweisung liegt noch nicht darin. Sie muss noch hinzu gedacht werden. Was bitte ist am Prekariat prekär? Und für wen? Wer oder was ist für wen eine Schande? Wer fühlt sich warum verantwortlich? Welche Art Investition geht denn überhaupt vom Staat aus? Wer reguliert, was ich gar nicht reguliert haben will, "wenn ich mir nichts vorzuwerfen habe und meine Steuern zahle". Und wer könnte das besser beurteilen als ich selbst?
Thinkabout - 2007.04.13, 16:34
Wäre ich doch der oder jener! Wir machen uns so gerne Bilder von uns selbst – oder besser davon, wie uns andere sehen sollen. Dabei beschäftigt man sich eigentlich mit dem Wirken, dem Ansehen, der Stellung einer Person. Was überhaupt nichts mit der Identität zu tun hat.
Wenn es doch nur unser aller innigster Wunsch wäre, uns selbst sein zu können. DAS wäre nämlich unser Glück.
Vielleicht gibt es für das Stichwort bald einen neuen Begriff: Avatar. Schaffe Dir Dein Avatar, Deine Identität in Second Life, nur so zum Beispiel. Virtuell können wir leichter als jemals zuvor irgendwer sein, und die – scheinbaren – Vernetzungen gaukeln Interaktionen vor, die am Ende gar noch für Beziehungen gehalten werden.
Interessant ist auch, dass wir uns immer wieder an anderen orientieren und uns Vorstellungen davon machen, wie sich das Leben anfühlen muss, das uns da anlacht. Wir alle wären wohl ziemlich erstaunt und überrascht, wie sich nur schon unsere Nachbarn im Detail unser Leben vorstellen, und nicht selten könnten wir darüber wohl nur den Kopf schütteln oder im besseren Fall laut darüber lachen.
Warum wollen wir immer das Gras jenseits des Gartenzauns? Da ist unser aller Leben von einem Wohlstand geprägt, den in dieser Form keine Generation vor uns kannte, und mit was beschäftigen wir uns? Mit der Vor-Sorge vor (nein für, hoffentlich) der unsicheren Zukunft und mit dem Leben links von uns, das bestimmt angenehmer ist. Wir wünschen uns im Grunde immer den Schein, einen Glanz, und kennen dabei in unserem eigenen individuellen Paradies vor allem die Grautöne. Oder viel zu oft. Sonst kämen wir gar nicht auf solche Weitblicke, die im Grunde gar keine Blicke sind.
Wir leben alle im ständigen Vergleich. Und die Massstäbe für dieses Vergleichen gibt uns die Gesellschaft mit ihren Statussymbolen vor. Noch nie hätten so viele Menschen leichten Herzens aus dem Hamsterrad springen können, aber stattdessen strampeln sie weiter in der Masse und freuen sich allenfalls, dass sie im Rad zwei Zentimeter weiter vorn sind mit den Schnauzhaaren… Nur, was bekommen die schon zu fühlen?
Mein Wunsch wäre, meine Identität zu finden. Mich zu kennen ist das erste Ziel. Überhaupt Person werden, Persönlichkeit, Ich und nicht nur Ego. Was für eine verlockende und lohnende Aufgabe. Päng – schon wieder eine leistungsorientierte Aussage. Oder doch nicht? Aufgabe? Auf-Gabe. Aufgeben. Wir könnten so Vieles aufgeben, ohne dass es wirklich einer Niederlage gleich käme…
Thinkabout - 2007.04.13, 16:23
Die einen bringen das Wort nie über die Lippen, die anderen entschuldigen sich für alles, auch ganz ohne Grund. Deren ganze Anwesenheit scheint ihnen manchmal wie ein Irrtum zu erscheinen. Sie machen so lange, bis Du es glaubst, und genau dann magst Du überhaupt gar nichts mehr entschuldigen...
Eine Entschuldigung auszusprechen, wenn man einen Fehler gemacht hat, kann aber auch eine wahre Kunst sein. Fehler im mitmenschlichen Umgang passieren uns ja leider nicht nur mit Menschen, die wir mögen. Ganz im Gegenteil. Wie nahe liegt es da, eine Entschuldigung zu unterlassen. Der andere ist ja eh ein Giftsack, und ich könnte ja Dinge aufzählen, die gehen auf keine Kuhhaut. Aber hier und jetzt trifft ihn etwas von mir, das falsch war und ist und nicht besser wird, wenn ich es totschweige. Ganz im Gegenteil. Es wächst sich zu einem Geschwür aus. Zumindest meldet sich der Stachel immer mal wieder, wie ein Holzspan, der durch die Hornhaut die Weichteile erreicht. Gewisse Griffe unterlässt Du dann einfach. Eine Hand wird nutzlos, ein Finger... Eine unterlassene Entschuldigung ist wie ein Sandkorn im Getriebe. Es kann tiefer rutschen und zum Kolbenfresser werden. Man müsste nur mal schnell den Motor abschalten und gleich anfügen, dass man dafür selbst die Verantwortung trägt, und sagen: Es tut mir leid.
Was für eine Waffe das ist für unser Seelenheil. Es kann so stark und souverän werden in uns, dieses erlösende Gefühl, dass kaum mehr eine Rolle spielt, ob die Entschuldigung angenommen wird. Ob sie aufrichtig gemeint ist, wissen wir ja eh selbst am besten.
Dein und mein Gewissen - wie oft schon haben wir geflucht, dass wir offensichtlich mehr Gewissen haben als der scheinbar Rücksichtslose neben und vor allem vor uns? Warum lässt sich diese imaginäre Fussfessel nicht abschütteln oder wenigstens ignorieren?
Wahrscheinlich sind die, an welchen wir unsere Fehler machen, immer auch unsere Lehrer.
Der Schüler bleibt im Grunde souverän. Je mehr er lernt, um so besser wird er wissen, was er sich wirklich verinnerlichen muss.
Und so lerne ich, mit meinem Gewissen umzugehen. Ich schütze es oder ich begradige es, in dem ich es frei mache vom Ballast falsch verstandener Wohlgefälligkeit. Die Stachel, die ich aber vielleicht setzte, vermag ich sehr wohl zu erinnern und deren Wirkung auch zu erfühlen - und sie mögen ihre Wirkung haben, aber für was? Was relativiert sich alles so oft in nur schon ein paar Minuten...
Es gibt zur angebrachten Entschuldigung keine Alternative. Höchstens noch einen zusätzlichen Lernauftrag: Das nächste Mal bedenken, was das gesprochene Wort, das Geschriebene, die kleine Tat alles bewirken mag. Aber bitte nicht so sehr, dass Sie vorausschauend alles unterlassen, was irgend eine Wirkung haben könnte. Denn parallel zu Ihrer Besonnenheit ist der Verletzte auch in der Lage, seinerseits Abstand zu gewinnen und sein eigenes Fordern immer auch für sich selbst an sein eigenes Ich zu richten...
Thinkabout - 2007.04.12, 19:13
Auch weia,
Tina, da hast Du mir ja was eingebrockt...
Wenn da wenigstens nur stünde: Potenz. Punkt. Aber es geht explizit um die Störung. Was es mir erlaubt, zuerst einmal darüber zu lamentieren, wie ungerecht es verteilt ist mit der männlichen und weiblichen Lust: So offensichtlich, wie unser Unvermögen zur Schau getragen werden muss. Aber die Natur dürfte doch auch sich etwas dabei gedacht haben, denn könnten wir unsere Unlust in uns verstecken und so tun als ob, auch hier, dann würden wir wohl überhaupt nicht über uns und unsere Bedürfnisse reden, geschweige denn über Ängste...
Ist eine Potenzstörung eigentlich per se eine Störung? Könnte sie dem Manne nicht auch eine Hilfe sein, ein gütig auferlegter Zwang, sich seiner Sexualität und der körperlichen Begegnung anders als über den direkten Beischlaf zu nähern?
Und dann bin ich mir gleich nicht mehr so sicher, wie das denn heute sein mag, in der Welt der bestimmenden Generation, von der ich ganz andere Töne lese, forschere, zumindest in der Werbung, von Frau, die weiss was sie will, und es auch fordert. Au weia.
Es ist traurig bestimmt um die Geschlechter, wenn die Masten alle in Hab Acht stehen und niemals brechen sollen. Aber sie tun es, immer mal wieder, und das muss nicht schlecht sein, wenn es auch hilflos machen mag.
So genau weiss ich da nicht Bescheid, in meinem Biotop einer geschützten Vertrautheit, in der ich zu zweit ich selbst sein darf und das wichtigste an der körperlichen Kommunikation die Umarmung ist, das Bei-einander-sein.
Das teuflische Stiefbrüderchen der Potenzstörung ist doch die Erwartung, und welche menschliche und insbesondere männliche Erwartung basiert noch mehr auf Desinformation oder schamhafter Lüge der anderen und einem selbst, wenn irgendwo über Sex gesprochen wird. Das immerhin tun wir ja heute fast alle, oder wir tun zumindest so... Das geht dann eben leider unter dem Bettlaken nicht mehr...
Es kann doch einfach mühsam sein, immer die Brust raus strecken zu müssen, den dicken Max markieren, sprichwörtlich, und dabei stets den tradierten Bildern folgen, die man intus hat. diese Imitationen des Männlichen, mit den Bubenaugen und -köpfen aufgesogen, unbewusst, immer im fatalen Missbehagen, dass die Emotion sich irgendwie nirgends hinpacken lässt, wo sie auch jederzeit ausgepackt werden darf...
Willkommen im Klub, rufe ich, Ihr perfekten Hausfrau, Mütter und Gespielinnen in Personalunion, packen wir Euch zu unseren eigenen Ängsten unter unser Bettlaken, und dann brüten wir das in der Umarmung zusammen aus und sind doch einfach dankbar, dass wir nicht Übermenschen sein müssen noch über den Menschen stehen, sondern zwei ganz normale Exemplare unter ihnen sind, vielleicht ein bisschen gelassener sogar gegenüber den Regungen, die auch mal ausbleiben und andere ankündigen. Wenn wir nur genug Zeit haben, und wir haben sie alle, dann können wir uns doch einfach überraschen lassen vom Tag und eine neue Neugierde lernen. Auf alle Facetten. Bei Lichte und im Dunkeln.
Ist da ein Zauber? Dann genug jetzt der Worte, ich möchte statt dessen auf meine Gefühle horchen - und nicht nur auf die meinen.
Es ist so furchtbar schön, getragen zu werden...
Thinkabout - 2007.04.12, 13:47
Ach je,
Caro, so bedeutungsschwere Worte lassen sich in zehn Minuten doch gar nicht reinpacken, aber welches Wort ist dafür schon klein genug. So will ich denn noch so gerne auch hierzu mit Lust mich eindenken und ein paar Dinge andenken:
Vergebung ist verzeihen? Vergessen?
Eine gewaltige Aufgabe, die das Schwierigste bereits in sich trägt:
Ein Leid ist erfahren, es quält, es pocht und sticht und schmerzt, und kann nicht vergessen werden. Wir verdrängen, schieben ab, suchen einen Ort, an dem wir es hinlegen können, das Erlittene, und irgendwann können wir uns ein bisschen entfernen, dann eine Tür dazwischen legen, die wir nicht alle fünf Minuten wieder öffnen, dann, irgnedwann, drehen wir vielleicht gar einen Schlüssel um. Aber das Leid, das Unrecht behält seinen Raum, ist Tei meines Hauses, gehört zu meiner Geschichte. Die Zeit hält alle Wunden, heisst es. Leid aber, das wir mit Menschen in Verbindung bringen, zuordnen können, hat einen Urheber, den wir anklagen, den wir verantwortlich machen. Dies ist Erschwernis und Chance zugleich. Wir können einen Dialog führen, stumm oder laut, flüsternd oder schreiend. Er wird vielleicht nicht gewollt, dieser Dialog. Er wird vielleicht verwässert, verneint. Aber in jedem Fall ist da ein Lehrer in diesem Leid, an dem ich mich reiben kann. Und wenn es mir gelingt, mich zu lösen, mein Klagen nicht in Anklagen und dann in ein Erzählen zu verwandeln, bis ich Mensch und Leid Teil meiner Geschichte werden lassen kann, dann kommt der Moment, wo ich verzeihen und vergeben kann. Es liegt darin eine Freiheit, die da beginnt, wo das Verdrängen nicht mehr notwendig ist und das Vergessen nicht sein muss (was eh nicht gelänge). Wenn das Leid erinnerte Erfahrung wird, aus der neue Schritte auf einem Weg wurden.
Vielleicht werden wir gar um Vergebung gebeten, können unsere innere Befreiung verschenken, und helfen dadurch mit, dass sich das Leid teilt und seinen Schrecken verliert.
Thinkabout - 2007.04.12, 12:03
Ob rechts oder links rum - was ist verkehrt, wenn es verkehrt? Wo Menschen mit verschiedenen Tempi oder in verschiedenen Richtungen unterwegs sind, braucht es Regeln für die Begegnungen, die keine sind... (oder werden sollen). Was wir uns gewohnt sind, wird, ist "die Regel". Sie gibt uns Sicherheit. Wir können sie auch reklamieren. Was für mich gilt, soll für alle gelten - und kann durchgesetzt werden, weil es vernünftig ist.
Plötzlich in den Linksverkehr geworfen zu werden, kann problematisch sein. Netterweise sind die Steuerräder auch anders rum angeordnet, so dass sich das Raumgefühl an bestimmten gleich bleibenden Abständen orientieren kann (Bezug des Fahrers zur Mittellinie). Das hilft zur Orientierung und Angewöhnung, bei der man das Vertraute sucht. Aus dem Blechkäfig ist das übrigens einfacher als z.B. als Radfahrer. Es ist nicht zu empfehlen, "aus dem Stand" mit einem rechtsverkehrs-gepolten Hirn per Zweirad links fahren zu wollen. Das kommt dann gern verkehrt raus und ist angesichts der fehlenden Knautschzone ist der Lernprozess schmerzhaft. Also besser in der Masse der Fussgäner mitgehen oder das Taxi nehmen.
So oder so: Erstaunlich, wie schnell man sich umgewöhnt. Es gibt für so viele Alltagsdinge nur das Gewohnte, aber nicht das Normale. Nicht schlechter noch besser ist die eine oder andere Regel, auf jeden Fall dann, wenn sie respektiert wird. Und wie steht es mit dem allgemeinen Chaos? Autofahren in Kairo hat nur die eine Regel: Dass sie, wie sie auch immer heissen mag, ignoriert wird. Darum fahre ich an solchen Orten grundsätzlich nie selber. Hat's gekracht, beginnen sonst womöglich plötzlich Regeln zu gelten, die ich mir nicht träumen liesse...
Regeln verheissen Sicherheit, Verlässlichkeit, und es ist ein dummes Gefühl, wenn man von sich weiss, dass man sie entweder nicht kennt oder sie noch lernen muss. Du bewegst Dich unter vielen eigen, fremd. Die Unsicherheit der Fremden unter uns, wie gut wäre sie doch zu verstehen! Deshalb sollten wir, wann immer wir erkennen, dass jemand die Scheu überwindet, nach Hilfe zu bitten, diese auch geben - und ein bisschen Geduld und Zeit mit hinüber geben, damit die bei uns geltenden Mittelstreifen und Richtwege verständlicher werden.
Auch im Linksverkehr gibt es übrigens Stopp-Signale. In der normalen Hetze sind sie ärgerlich, zeitraubend. Vielleicht. Wenn Du als Fremder in der Stadt etwas suchst, ob linksrum oder rechtsrum, so ist ein Stoppschild unter Umständen ein Segen. Einen Moment die Bewegung anhalten, um den eigenen Stand zu orten und das neue Ziel zu finden...
- Ich danke der Stichwortgeberin Caro
Thinkabout - 2007.04.12, 11:25
Das Stichwort, danke Dir, Janna, springt mich an, denn es ist mir vertraut. Ich denke hier und jetzt nicht das erste Mal darüber nach. Einsamkeit ist Alleinsein ohne Begleitung. Wir sind alle allein. In unseren Schuhen haben nur wir selber Platz. Sie passen auch niemand anderem, und den Weg müssen wir auch selbst gehen. Wir wissen nicht, ob unsere Begleiter bei uns bleiben und wie lange sie uns geschenkt bleiben. Allein werden wir geboren und allein sterben wir. Vielleicht verdrängen wir den Tod und das Sterben dahin gerade deshalb so sehr, weil nichts so sehr für die Einsamkeit steht, die wir dabei fühlen?
Wüste - diese endlose Stille, die in der weiten Dürre geboren scheint und sich rund um einen herum ständig zu vermehren und zu verdichten scheint, sie hat eine allererste Botschaft: Du bist einsam.
Einsamkeit, die ich aushalte, verspricht mir dafür eine unzerstörbare Ruhe. Fühle ich mich allein in mir durch mein Wesen, meine Bestimmung, mein Sein, getragen, so kann ich die Einsamkeit in mir annehmen wie den Antrieb zum Gespräch mit mir selbst. Denn wenn ich es nicht will und zulasse, spricht gar niemand mit mir. Nur ich kann mich öffnen für andere und für mich selbst, kann meine Einsamkeit er-tragen und in sie hinein hören. Dann bin ich am Ende doch nicht allein, sondern in meiner Bestimmung ein Wesen an seinem Platz. Und ich schaue vielleicht gar voraus, ohne mein Ende zu verdrängen, und erkenne im Weg, den vor mir viele Milliarden andere Wesen gegangen sind, einen Trost oder gar eine Freude, die in der Gelassenheit liegt, mich nicht kümmern zu müssen um Dinge, die einfach passieren werden.
Ich mag einsam sein, Einsiedler muss ich nicht sein, wenn ich es nicht will. Ich kann mit ausgebreiteten Armen durchs Leben gehen, keine Umarmung muss mir zuviel werden, und ist da niemand, so darf ich mich dennoch umarmt fühlen von meiner Schöpfung, die mich atmen lässt, ohne dass ich etwas dafür zu tun scheine. Ich lebe und fühle und denke und leide - aber ich bin lebendig in meiner Einsamkeit. Und schreit sie mich an, so schreie ich zurück, und wer weiss, ob da nicht jemand ist, der mich sehr wohl hört, während ich meinem eigenen Echo lausche?
Thinkabout - 2007.04.10, 11:34