Donnerstag, 26. April 2007

Küchendienst

Als Junge hat man ihn, und er spurt die männliche Pseudo-Affinität zur hausmütterlichen Kochbereitschaft vor, die da heisst: Ehre Deiner Frau Arbeit und greif zumindest Sonntags zur Abwaschbürste. Oder zumindest zum Leinentuch zum Abtrocknen. Denn mit Geschirrspüler war da noch nichts, und auch heute sollte Mann nicht behaupten, dass es überhaupt keines Trockenreibungseinsatzes in der Küche bedarf, will er sich nicht als kompletter Chauvi und Dilettant outen.
Aber Küchendienst ist mir längst nicht mehr unlieb, habe ich doch eine Frau, die eine Zauberin zwischen und in den Kochtöpfen ist, und ich habe das Zudienen als Küchengehilfe richtig lieben gelernt. In der Zubereitung einer gemeinsamen Freude, dem Essen eben, sich zusammen finden, den Alltag sprich Werktag dabei abschütteln, den Tag besprechen und erzählen und dann den Feierabend einläuten, was gibt es Schöneres, als dies im Duft eines entstehenden Festmahls zu tun und Hand in Hand zu erleben, wie gemeinsame und geteilte Arbeit zu einer gemeinsamen Freude wird?
Selten haben wir für eine grosse Blase gekocht. Mit einer Ausnahme: Das Dorffest in der Turnhalle mit Mah-Meh für 200 Personen...
Rühren in Bottichen so gross wie Badewannen...
Aber ich habe sie immer bewundert und geliebt, die Köche in den Ferienlagern, die mit ihrer Crew selbstlos und still die einzelnen Skitage mit einem feinen Essen noch abgerundet haben. Auch als Knirps habe ich es fertig gebracht, in die Küche zu huschen, wenigstens einmal in der Ferienwoche, und dort kund zu tun:
"Tanke viil mahl, isch suuper fein gsii."
Und manchmal denke ich: So einmal für eine grosse Blase eine Woche lang oder so die Kochtöpfe schruppen oder die Karotten und Kartoffeln schälen - für mehr reicht mein Können nicht - das wäre eine Form der Danksagung, die mir sogar noch Befriedigung verschaffen würde.
Kinder können mit Ihrer selbstvergessenen Hingabe an Spiel und Sport Dich so viel lehren. Wem geht nicht das Herz auf, wenn er sich an diese Momente zurück erinnert, als er selbst nur einfach Kind war?
Wir sind "die besseren Erwachsenen", wenn wir uns an solche Dinge erinnern. Da bin ich ganz sicher.

Kontaktanzeige

Kontaktanzeigen verraten nicht nur eine ganze Menge über die Menschen, die sie schalten. Sondern auch über das Medium, in dem sie stehen. Wobei ich jetzt mal bei den Zeitungen bleiben will. Besonders widerlich ist mir da die unverholene Masche der NZZ-LeserInnen in der Schweiz. In keinem anderen Printmedium finden sich in der entsprechenden Rubrik so viele Heiratsvermittlungsinstitute, die nach dem Motto funktionieren: Ich suche Dir, Frauchen, für viel Geld den betuchten Akademiker zwecks Einheiratung in einen Goldstallkäfig, Stil und Bildung garantiert.
Und dabei gleich ad absurdum geführt.
In Lokalblättern eher traurig sind die Beispiele der Kategorie "sympathische warmherzige aufgestellte Frau aus Südamerika, jung, Superfigur, sucht den anständigen Schweizer Mann mit ebensolchem Pass zwecks schnellem Schuss zwecks Eheschluss.
Oder die Frauen mittleren Alters, die, zwangsläufig, den kinderliebenden Partner, bitte ungebunden, suchen...
Ein Kontaktanzeigenmarkt ist der Markt unserer Lebensträume auf bescheidenem Niveau, was deren Tiefe, nicht aber deren Sicherheiten betrifft.
Wo trifft sich mehr gemischte Lebenserfahrung als auf diesen Seiten?
Und wo ist eben diese Erfahrung gegen alle Sehnsucht chancenloser?

Und doch ist der Mut zur Liebe immer wieder stärker, und es ist gut, dass die Menschen freier geworden sind, jede Möglichkeit zu prüfen, um Kontakte zu knüpfen. Und auch hier macht das Internet so windige Institute, wie oben erwähnt, überflüssig.
Leider sind die schlechten Efahrungen auch hier im Interent im Zeitraffer noch viel schneller zu machen als anderswo. Und ganz schlimm wird es dann, wenn virtuelle Gaukler einen Weltersatz anbieten, dem sie real nie entsprechen könnten, ja nicht mal wollen.
Aber damit sind wir dann eher bei den Chats angelangt, den Kontaktanzeigen, bei denen die Worte laufen lernen, ohne dass die Ehrlichkeit zwangsläufig dem Tempo zu folgen vermöchte.

Die Chancen wirklich abzuwägen, kann dennoch nicht gelingen, und es ist doch gut, dass die Anzeigen, die man selbst nicht übel findet, nicht unbedingt mehr Erfolg versprechen als die eher direkten Varianten.
Mann sucht Frau. Für was wohl?
Hilft vielleicht schneller weiter als ein Gedicht, unter dessen Schatten sich selbst Khalil Gibran gerne stellen würde?!

Dem Leben zulächeln, wenn Sie eine Anzeige aufsetzen, schlage ich vor. Das wirkt anziehend, finde wenigstens ich.

Mittwoch, 25. April 2007

Modebewusstsein

Gibt es ein Stichwort, das mir bisher ferner lag? Ich finde, das gibt es gar nicht, bzw. es wird damit etwas ausgesagt, was gar nicht gemeint ist. Wer der Mode aufsitzt, glaubt, dass er, richtet er sich nicht nach ihr, keinen Stil besitzt. Dabei bedeutet es nur, dass er nicht einem Trend, dem Trend folgt.
Was lässt uns nach der Mode fragen? Modebewusstsein bedeutet doch, mit der gebotenen Unruhe nach dem zu fragen, was angesagt ist, wie es so schön heisst. Wir leben also gemäss Ansage - und zwar durchwegs technoider oder sonstwie künstlerischer Phantasiegestalten, die uns höchstens übers Fernsehen näher kommen.
Verzeihung, mir geht das wirklich ab. Ich kann zwar auch nichts mit jenen anfangen, die überall und jederzeit in Jeans und T-Shirt auftauchen, obwohl ich selbst sicher 80% meiner Zeit entsprechend "uniformiert" bin.
Wichtig scheint mir einzig, wie ich mich in meiner Kleidung fühle. Ob es mir wohl ist und wie ich mich folglich bewege und welche Haltung ich einnehme. Und gleichzeitig kann man mich fragen, warum das denn eine Rolle spielt für mein Gebaren, meine Fetzen Stoff?
Tatsächlich: Sie richten sich vielleicht nicht nach der Mode, aber sie haben auch Bilder im Kopf, wie die Dinge zu sein haben, damit Sie sich wohl fühlen.
Einen Dresscode zu verletzen, macht einen aussätzig oder unabhängig, je nach gesellschaftlicher Wasserverdrängung. Also in aller Regel aussätzig.
Herrschaft, wie viel Zeit wir damit verbringen, dazu zu gehören, nicht wahr? Und welche Summen wir dafür ausgeben. Man stelle sich unsere Wirtschaft ohne Trends und Mode vor... Wir müssten SOFORT damit beginnen, in die Forschung nach ökologischen Produkten zu investieren und die entsprechenden Bedürfnisse zu schaffen. Denn irgendwo mus die Überproduktivität jenseits echter Bedürfnisse ja hin, und wäre das nicht wirklich ein echtes Bedürfnis, die Idee käme auch nicht so subversiv daher...
Eine Mode-Gesellschaft, die einem Gnom wie Karl Lagerfeld eine Bühne und mehr als nur ein Auskommen bietet, ihn also nicht nur aushält sondern aushaltet, sprich hofiert, ist wirklich verloren...

Bruder

Nähe, theoretisch. Aus meinem Blut, von meinem Blut. Wie komisch, jemanden neben sich zu wissen, der gleicher Herkunft ist, so ähnlich aussieht, und so grundverschieden ist. Wie faszinierend auch, wie unterschiedlich die Strategien sein können, die man mit gleicher Erziehung fürs Leben entwickelt.
Brüder müssen sich nicht grün sein. Sie können sich sehr fremd bleiben oder sehr eng zusammen stehen. Und in beiden Fällen müssen sie das sie Verbindende oder Trennende nicht unbedingt richtig einschätzen.
Geschwister sind wie Eltern Beziehungspole, an denen wir uns reiben und von denen wir uns auch abgrenzen wollen. Da ist eine Nähe, die auch gerne reklamiert wird, obwohl wir - eben - so verschieden sein mögen.
Manchmal denke ich, dass unsere Seelen wirklich woanders herkommen und in einer Familie zusammen finden, dass sie ein Alter und Erfahrungen haben, die weit über einen gemeinsamen Mutterleib und ähnliche Erwartungen in der Erziehung hinaus gehen.
Und umgekehrt ist eine Geschwisterliebe, die jenseits aller Hormone feste Anker kennt, etwas unheimlich Stärkendes. Einen Freund wie einen Bruder lieben zu können, heisst, seiner Seele einen kameradschaftlichen Platz im eigenen Herzen zu gönnen, ihn bei sich einziehen zu lassen, weil man Verwandtschaft anerkennt, ausgekundschaftet, erfahren im fürsorglichen Miteinander, im Begründen einer Freundschaft ohne Zwänge und Vorgaben.
Und wenn da plötzlich eine Krise ist? Dem leiblichen Bruder geht es schlecht, er ist in Not. Wie wunderlich, was in mir und mit mir geschieht: Ich beziehe Position, bin Partei und stütze diesen Fremden in meinem Leben, der eben doch mein Bruder ist. Ohne Frage nach seiner Schuld. Einfach so. Es ist wirklich ein seltsames Band, das wir Familie nennen.

Wahrscheinlich reden Brüder, gerade, wenn sie ein paar Jahre auseinander sind, noch weniger miteinander als andere Männer. Vielleicht verlieren sie die Bindung nur deshalb nicht, weil sie zumindest vermuten können, dass der andere ähnliche Erfahrungen kennt - und jemand anders ist nicht da, der - theoretisch - mit dem gleichen Wissen mich selbst verstehen könnte...

Dienstag, 24. April 2007

Zwiespalt

Dieses Wort drückt die Qual des Zweifels perfekt aus. Wessen Leben ist schon immer so, dass er mit beiden Beinen fest auf einer Erdscholle steht? Ist uns nicht auch das Bild vertraut, dass wir auf blankem Eis stehen, und dieses genau zwischen unseren Beinen zu brechen beginnt? Auf welche Seite nun sollen wir uns begeben, wo wird das Eis tragen? Wir wissen nur eines: Es schmilzt, der Spalt wird breiter und wir beginnen einen Spagat... Entscheiden wir uns allerdings nicht, so werden wir irgendwann in diese Mitte durchbrechen. Im Leben mögen wir vom ersten bis zum letzten Tag gerne einmal zuviel abwägen, ob links oder rechts. Von Bergsteigern ist nicht bekannt, dass einer in einem solchen Spagat in einer Spalte versunken ist. Aber sehr wohl, dass er sich zu spät entschieden hat und falsch.
Im Zwiespalt stecken zu bleiben ist menschlich. Geforderte Entscheidungen offenbaren Einsamkeit, erfordern Konsequenz. Und Angst kann ein schlechter Ratgeber sein, uns zögern lassen, die Entscheidung meiden wollen. Sie kann uns vielleicht aber am Ende auch helfen und uns antreiben, eine Anstrengung zu wagen, die wir uns gar nicht zugetraut hätten.
Auf jeden Fall ist dieser Spalt, der hinter dem "Zwie" droht und lauert auch eine Versicherung: Wir können und dürfen entscheiden. Wir können es gar nicht allen Recht machen. Und die Entscheidung muss sich in jedem Fall an unserem eigenen Stand ausrichten: Wir sind auf der Scholle in jedem Fall allein, und auch neben uns fallen Entscheidungen nach diesen Gesetzen. Manchmal beziehen sie uns ein, dann schliessen sie uns vielleicht auch aus.
Im Zwiespalt sein, ist nicht gottgegeben. Es ist aber vielleicht eine Frage des Schicksals, die uns hilft, heraus zu finden, wo wir stehen und WO WIR STEHEN MÖCHTEN.
Der nächste Zwiespalt kann der erste sein, der uns mutig erlebt. Vielleicht dann, wenn uns der Verdacht kommt, dass sich die Risse zwischen unseren Füssen bei uns öfters bilden als bei anderen und es an der Zeit ist, die Entscheide früher zu treffen und mit der Überzeugung unseres Herzens, die schon immer da war, aber sich vielleicht gerade diesmal ganz anders zu zeigen vermag...
Die meisten Spalten, in die wir fallen, sind nicht tödlich. Und so lange wir das Wegstück neu begehen können, entscheidenn wir uns auch immer wieder neu. Aus dem Zwiespalt kann so eine gute Erfahrung werden, wir können Zutrauen gewinnen, wenn wir spüren, dass wir zwei Beine haben und sich aus festem Stand auch besser zurück schauen lässt. Und vor allem, voraus, um die nächste Spalte früher zu erkennen.
Es kann zudem sehr gut sein, dass ängstliche Zwiespältler gerade die Experten sind, die im entscheidenden Moment die wirklich grosse Spalte früh erkennen und sie darum rechtzeitig umgehen können. Um aber auch dann nach dem Über- und Durchgang zu suchen, übt es sich besser an den konkreten Zwei-Wegen des Alltags. Und das wird uns jeden Tag geboten: Als Möglichkeit und Chance, und nicht so sehr als Drohung.

Nähkästchen

Aus dem Nähkästchen plaudern - was für eine passende Redensart: Nähkästchen, die ich kenne, haben kleine Schubladen, versteckte Winkel, Fadenspulen, die zuhinterst in einer Ecke mit einem letzten Rest genau die richtige Farbe bieten oder auch nicht. In einem Nähkästchen kann man wühlen wie in einer Damenhandtasche. So viel Nade und Faden braucht der Mensch seiner Lebtage nicht, aber es ist beruhigend, es zu haben. Nie würde man eine Nadel mit dieser oder jener Öse fortschmeissen. Vielleicht kommt der Stoff, der genau nur mit dieser Nadel bezwungen werden kann, noch ins Haus?
Derweil fallen mir die Knöpfe von den Hemden wie die Äpfel von den Bäumen, und dann ist der Gang zum Nähkästchen sehr weit. Wenn es aber, wie jetzt, auf dem Tisch steht auf der Terrasse, und das Sonnenlicht langsam die ersten Spulen, die oben aufgesteckt sind, erreichen wird und die Garne zu leuchten beginnen, dann hat dieses Kästchen und vor allem all sein Nippes etwas Heimeliges, Kuscheliges, und das Holz, aus dem es gemacht ist, hat eine Struktur, natürlich hat es die, denn alles an diesem Kästchen muss und will mir was erzählen.
Es gibt Nähkästchen für 3.90, die Sie Dir im Versand nachschiessen oder zu ein paar Tulpenzwiebeln als Bonus mit schicken, als müssten sie die Dinger los werden. Aber diese Kästchen meine ich nicht. Sie haben ein bisschen Sternfaden oder nicht mal das, und zwei drei Nadeln, gut genug für die Not aber bestimmt nicht wirklich brauchbar. Nein, ich meine die älteren dieser Dinge, die Du vererbt kriegst oder selbst zumindest nicht so leicht hergeben würdest, da musst Du tatsächlich schon unter die Erde kommen und definitiv keine neuen Knöpfe mehr brauchen, und dann wird jemand anders die kleinen Schubladen öffnen und bestimmt noch einen Faden finden, von dem Du gar nicht mehr wusstest, was nicht schlimm ist, nebensächlich gar, aber doch irgendwie schön.
Wahrscheinlich sind da auch die Ersatzknöpfe nicht weit, dieses Sammelsurium für die Not, das bestimmt viele Vorschläge bereit hält aber oft nicht den richtigen Knopf, den genau passenden, der als einziger wieder mal fehlt. Dann wählst Du einen andern aus, der dafür wenigstens einen besonderen Glanz hat oder eine besondere Politur.
Ich werde auch wieder mal einen Faden einfädeln, ich verspreche es, denn arbeiten tun wir beide nicht so gerne mit dem Kästchen. Hergeben aber ist nicht!

Kirchgang

Alte Zeiten steigen in meiner Erinnerung auf. Konfirmandenzeit. Die Mischung zwischen Zwang und Beschaulichkeit am Sonntagmorgen. Aber auch eine Kirche, reformatorisch-kühl, am Sonntag meist gar nicht so schlecht gefüllt, und dann mit Leben gefüllt, das sich zwar vielleicht durch die farbigen Scheiben nach aussen dachte, aber immerhin, die Gedanken entstanden erst in diesem Raum, wo Menschen zusammen kamen. Und danach, das Verweilen vor der Kirche, über dem Rebberg, mit dem Blick über den See. So ohne war das gar nicht, nein, damals nicht und heute schon gar nicht.
Heute gehe ich spaziern, in den Wald, der meine Kirche ist. Aber der Kirchgang ist auch ein Akt der Gemeinschaft, ein Zusammenkommen, eine Zuflucht zu einem Ort, an dem die Gedanken ruhen können oder könnten.
Und Pfarrer durfte ich kennenlernen, immer wieder, die mir für immer eine Botschaft chrirstlicher, gottväterlicher Liebe schenkten. Meine Kirchgänge habe ich nie zu meinen Sünden gemacht, sondern hin zur verzeihenden und gütig fordernden Liebe meines wirklichen Vaters, der auch der Vater meines Vaters war. Zum Glück.
Zu Beerdigungen stellt man sich Regentage vor, und verhangenen Himmel. Zum Kirchgang gehört in meinem Erinnern die Kraft einer warmen, aber nicht brennenden Sonne, die einen blinzeln liess, hinein in das Fest eines freien Tages.
Die Freundlichkeit der Menschen an diesem Tag, nach dem Gottesdienst, war ein Kirchgang hin zur Geschwisterschaft von Menschen, die sich stumm und doch zusammen eine Stunde in einer Art Kontemplation versuchten: Was und wer bin ich und wie bin ich gemeint?
Und die Jugend war immer ein Teil der Gemeinde. Wir haben an der Konfirmation Rockmusik aufgeführt in der Kirche - von A bis Z ein selbst gestalteter Gottesdienst, eine volle Kirche und ein Gefühl, gehört zu werden. Und betrachtet. Wohlmeinend. Aus den Kirchenbänken, aber auch aus dem Dachgebälk der Kirche, von wo eine umarmende Fürsorglichkeit hinab strahlte, eine Wohlmeinung für mein Sein.
Ich werde meiner damaligen Kirchgemeinde stets dankbar sein für das, was sie mich über meine fürsorgende Liebesfähigkeit lehrte.

Montag, 23. April 2007

Relativierung

Wenn "alles relativ ist", wie ich manchmal höre oder selbst sage, dann ist Vorsicht geboten! Da ist sie wieder, die Beliebigkeit. Wenn alles so und so bedacht werden kann, gibt es keine Konsequenz, kein Handeln, das dem Denken folgt, denn der Status Quo ist wenigstend die bekannte Relativität.
In Relation zu anderem steht nun aber so ziemlich alles, was wir wahrnehmen, schaffen, benutzen, entscheiden oder eben nicht entscheiden.
Ich leide darunter, dass mein Schreiben verpufft in die weite des binären Universums? Das ist relativ. Was heisst schon verpuffen - und wie will ich das wissen? Nur weil ich die weiteren Relationen, die äusseren oder vielleicht tieferen Beziehungsgeflechte, in denen Ausgesprochenes oder Hingeschriebenes steht, nicht erkenne? Genau so, wie es die einengenen Relationen gibt, ist aber auch das Leid gebunden, eingegrenzt, fassbar: Es dominiert vielleicht meine Wahrnehmung, aber es zwingt mich auch auf mich und in mich zurück. Ich kann vielleicht nichts anderes mehr als ausharren versuchen, erdulden, durchstieren, bewusstlos werden. Ich bin vielleicht gefangen in dieser Wahrnehmung. Aber sie ist relativ. Sie hat ein Ende. Das Unvorstellbare geht in den Tod über, der das Unvorstellbarste ist, was wir denken können, und doch ist er nur der Anfang anderer Relationen.
Wenn Relativierung bedeutet, dass wir uns in unserer Bedeutung als Teil eines Ganzen verstehen, so wird aus der einebnend defensiv formulierten Vorsicht eine Verantwortung und ein Trost: Was ich tue und denke, bewirkt vielleicht nicht viel. Aber es ist nicht gleichgültig. Denn es HAT in jedem Fall eine Wirkung. Also habe ich mich selbst danach zu fragen, was und wie ich wirken soll? Und mein Bauch, der mir viel mehr eingibt, als ich wahrhaben will, wird schon reagieren, wenn ich dem nicht nachlebe. Hoffentlich eher früher denn später. Denn meine wichtiste Relation ist diejenige zwischen "meinem" Körper, Geist und "meiner" Seele. Mag dieses mein Verständnis noch so relativ sein...

Sonntag, 22. April 2007

Floskeln

sind Sätze, die wir wie Sprechautomaten sagen, genau so, wie wir sie schon so oft gehört haben. Vielleicht genau so automatisiert. Im Grunde sind sie die Missachtung jeder Chance zur Begegnung. Sie dokumentieren ein Desinteresse, aber bitte schön ohne ein Aufheben darum zu machen. Bleib mir im Grunde vom Leibe aber bleib mir gewogen, also merke es bitte nicht oder störe Dich zumindest nicht laut daran.
Floskeln sind tote Worthülsen, abgestossene Häute echter Information. Small Talk ohne Talk. Floskeln sind Bankrotterklärungen des menschlichen Umgangs. Wer sie spricht, glaubt sich vielleicht noch höflich, aber im Grunde ist er bereits Falschspieler. Das hat mit Freundlichkeit nichts zu tun, nicht mal mehr mit Höflichkeit. Die Floskel meidet das Fragezeichen. Sie meint immer den Punkt. Das Punktum. Ohne Brüskierung, aber endgültig, bitte schön. Da war zuvor im Grunde gar kein Anfang. Einfach nichts. Aber es musste darüber gesprochen werden.
Warum nur?
Es komme mir keiner mit Diplomatie. Damit hat das nichts zu tun. Eine Floskel ist auch nicht die Verfeinerung eines gesellschaftlich verträglichen oberflächlichen Umgangs. Es ist das davon Abgestorbene, das sich hartnäckig halten kann und damit noch trauriger wird.
Bis zum nächsten Mal also dann, möge dieses langmöglichst nicht eintreffen, auch wenn es unvermeidlich sein mag.
Hinter einer Floskel kann man gar hassen. Ohne dass man merkt, wie schäbig man sich selbst sieht dabei. Auch dafür kann man den anderen hassen, ohne dass er sich dagegen wehren oder etwas dafür könnte, wir haben ihn einfach so eingeteilt, er ist uns nichts wert, ärgert uns, nervt, wir mögen nicht mal wissen, warum, er arbeitet einfach auch "da", aber er nervt. Puntkum. Einen schönen Tag noch! und weg.
Das ist höflich? Vielleicht doch? Allenfalls seinem eigenen widersinnigen Unbehagen gegenüber. Mit was trage ich mich denn herum, den ganzen Tag, ausser mit mir selbst?

Chancengleichheit

Das Loblied auf die Chancengleichheit - es wird bei uns gern gesungen - vornehmlich von den Etablierten, also von der Spitze aus.
Jeder darf zur Schule, jeder kann studieren. Es gibt Stipendien. Du bist Deines Glückes Schmied. Diese Haltung und Anschauung erlaubt es, im gleichen Brustton zu sagen: Was ich erreicht habe, habe ich mir erarbeitet. Ich habe es verdient. Haben Sie schon einmal jemanden gehört, der nicht "harte Arbeit" als Prinzip seines Erfolgs genannt hat?
Meiner Meinung nach ist das immer auch eine Beleidigung. Der Gescheiterte nebenan ist also in jedem Fall im Vergleich dazu ein Tunichtgut.
Es gibt nicht wirklich Chancengleichheit. Es gibt nur mehr oder weniger Chancen für einigermassen gleichmässig verteilte Nützungspotentiale gesellschaftlicher und bildungsmässiger Angebote.
Es gibt den prügelnden und den liebenden Vater, es gibt den fleissigen und den faulen Schüler, die zufriedene und die unausgefüllte Mutter.
Wir jubeln dem Erfolgreichen zu, und würden, wäre er uns früher in seiner Vita begegnet, als er seine Schule abbrach oder das Studium schmiss, keinen Blick für ihn gehabt haben.
Wir urteilen und verurteilen anhand von Äusserlichkeiten. Wir tragen mit unseren Vorurteilen laufend zur ChancenUNgleichheit bei.
Wir rühmen unsere gesellschaftlichen und demokratischen Voraussetzungen, und tun wenig dafür, sie zu erhalten, geschweige denn, sie zu verbessern. Wir rühmen die Demokratie und wünschen uns gleichzeitig, der Staat würde sein Geld nicht nutzlos verschwenden. Und die Erfolgreichen, die die Gesellschaft der Chancengleichheit rühmen, wollen die Sozialprogramme kürzen und die Bildung privatisieren. Weil sie nicht effizient ist.
Die Effizienz aber ist das Ergebnis der Selektion und damit das Ende der Chancengleichheit. Jedes Rennen hat eine Ziellinie und definiert Verlierer. Gewinner wären nicht so attraktiv, wenn es Viele davon gäbe.
Und die Verlierer? Ermutigen wir sie zum nächsten Rennen? Sehen wir die immer neuen Chancen, oder fühlen wir uns allenfalls gar bedroht durch deren Unglück? Oder durch Konkurrenz, wer weiss, woher sie plötzlich kommt? Sind wir am Ende die Gefangenen unserer eigenen selektiven Wahrnehmung?
Haben wir wirklich die Bildung, dass wir die Neugier aller Menschen fördern wollen und uns daran erfreuen können, dass wir alle im Grunde gerne lernen? Können wir selbst einmal Zweiter werden?
Statt über die Steuern zu jammern, während wir uns das grössere Auto kaufen, könnten wir über die Blumenwiese laufen. Subversiv auf nackten Füssen eben, wie wir sie alle haben. Die Füsse, nicht die Blumenwiese.

Samstag, 21. April 2007

Gewöhnung

Ist nicht das Gleiche wie Gewohnheit. Mindestens verstehe ich das anders. Eine Gewohnheit kann werden, was zuvor noch was Spezielles war, oder eine lieb gewordene Gewohnheit kann aus etwas zuvor Unscheinbarem wachsen. Die Gewöhnung suggeriert mir eher die Annäherung an etwas Unangenehmes. Etwas widersteht mir, treibt mich um, beschäftigt mich, bindet immer wieder meine Gedanken.
Manchmal muss ich mich an etwas Bestehendes, an einen Zustand gewöhnen, erst lernen, ihm in die Augen zu schauen, auszuhalten, dass es die Situation gibt, bevor ich mich dagegen oder dafür positionieren kann.
Man kann sich auch an ein Gift gewöhnen. Wenn ich es nicht schaffe, aus der Annäherung an etwas, das mich umtreibt, bindet, fasziniert, bedrängt, einschränkt, lockt, mit einem freien Geist Abgrenzungen zu ziehen, so wird alles Enthusiastische, Besondere, Schöne, jedes Geschenk des Augenblicks irgendwann gewöhnlich.
Es gibt nichts in unserem Leben, das wir aber auch nicht aushalten könnten. Viel länger als wir es dachten. Die Gewöhnung aber ist, bleibt sie uns schwesterlich verbunden im Kopfe sitzen, eine Feindin. Sie wird Verhinderin von Lösungen. Manchmal scheint es uns einfacher, uns im Gewöhnen zu üben, statt Abschied zu nehmen von alten Zöpfen.
Wie viel Riten der Gewöhnung, wie viel Trott, ausgestampfte Pfade brauchen wir, um uns bequem zu fühlen, während wir über das Grau unseres Alltags klagen?
Ob Gewöhnung schlecht für uns ist oder eine Quelle der Ruhe, ist leicht zu bestimmen: Macht uns unser Umgang mit dem, an das wir uns gewöhnt haben, frei, Neues anzupacken, oder verhindert es dies eher?
Eventuell sollten wir uns als nächstes daran gewöhnen, das Neue zu wagen!

Freitag, 20. April 2007

Erinnerungsstück

Geht es Ihnen auch so? Objektiv betrachtet ist es vielleicht nur ein Trinkglas. Aber für Sie ist dieses Glas oder diese Tasse oder dieses Geschirr Zeuge oder Zeugin einer Geschichte. Es aufbewahren, heisst, ein Andenken haben, wie wir im Dialekt sagen. Wie ist es da erst, wenn im Alltag etwas seine Funktion erfüllt, das ein Erinnerungsstück ist. Beim Umzug meiner Mutter ins Altersheim habe ich ein paar Schöpfkellen und anderes nützliches aber altes Küchengeschirr übernommen.
Aber jeden Tag, wenn wir es einsetzen, freuen wir uns daran. Und ichwerde erinnert an ein Haus, eine Umgebung, und vor meinem inneren Auge finden sich Menschen ein, versammeln sich um einen Tisch, schweigend, und doch erzählen sie mir so viel.
Erinnerungsstücke machen uns den Wert von Gegenständen neu bewusst. Indem wir sorgsam mit ihnen umgehen, werden wir dieser Erinnerung gerecht. Das entsprechende Verhalten hilft mit, eine Arbeit, die zu diesem Stück gehört, genau so sorgsam zu erledigen, und so wird in der Erinnerung eine Alltäglichkeit besonders, und zwar im JETZT. Diese Dinge brauchen keinen Wert, um unbezahlbar zu sein, und bei einem Einbruch oder Diebstahl ist jede Versicherung lächerlich, wenn sie verloren sind.
Unersetzbar sind alle einmaligen Dinge - und die einmaligen Erinnerungen. Ein simpler Kaffeelöffel, zu Millionen hergestellt, kann für mich dennoch genau der EINE sein.
Wie wäre besser zu fragen, was denn die tiefere Wirklichkeit der Dinge sein möge, wenn zwei Menschen einen Gegenstand so grundverschieden sehen können?
Ganz offensichtlich kann etwas nur einen Wert haben - und ihn behalten - wenn wir ihm diesen Wert geben und uns entsprechend daran erfreuen.
Was mich daran reicher macht als andere, fordert mich bei einfachen wie wertvollen Dingen erst recht heraus: Dieser in einer Sache liegende Wert ist eine Erinnerung, manifestiert, ja, fast materialisiert in diesem Objekt. Ich kann es hegen oder weglegen. Ja, auch das. Irgendwann mag eine Erinnerung verblassen. Wir legen sie in eine Truhe. Ganz davon trennen, das scheint uns nicht opportun. Ein Versuch, etwas festzuhalten. Warum muss der Abschied auch in Dingen wohnen?

Donnerstag, 19. April 2007

Toleranzgrenze

Tolerant sein, nachsichtig, neugierig, unvoreingenommen. Was für gute Eigenschaften. Aber keiner kann ich nachleben, ohne Grenzen zu setzen. Grenzenlos proklamiert, ist Toleranz nicht zu leben, es sei denn sehr oberflächlich und damit beliebig. Meine Haltung braucht Linie - und damit Grenzen. Es ist so etwas wie meine private Seite, die Lebbarkeit eines Prinzips - aber auch die Orientierungshilfe für meine Nächsten. Als Erzieher oder Partner muss ich mir stets bewusst sein, dass ich Verständnis nie voraussetzen kann. Es muss mir geschenkt werden. Und vielleicht muss ich auch etwas dafür tun. Ich darf mir nicht zu fein sein, für die Toleranz, die ich mir wünsche, zu arbeiten. Mich, andere zu erklären. Und hinzuhören. Also selbst Toleranz zu üben.
Im Westen sind wir stolz auf unsere tolerante Kultur. Und lassen sie damit allzu oft beliebig werden. Wir setzen dem Fremden gar nichts Eigenes mehr entgegen (oder daneben). Aus Toleranz wird so eben Beliebigkeit, und sehr oft kommt es mir vor, dass wir dadurch, dass wir gar keine Grenzen setzen, dem Erfordernis ausweichen, Stellung beziehen zu müssen.
Wir sind lieber tolerant.
Dem Fremden, der sich assimilieren will, muss ich aber auch mein eigenes Denken und Fühlen vorleben. Bin ich dazu bereit? Bin ich bereit, mich zu erklären, mein Denken und Fühlen zu zeigen?
Toleranz scheitert umgekehrt doch oft an den eigenen Grenzen. Was ich selbst mir gegenüber nicht fertig bringe, kann ich anderen nicht zubilligen.
Eine Toleranzgrenze kann auch ein populistisch gewachsenes Panzerhindernis sein. Fuhrwerk der Politik. Tausendfach repetiert nicht wahrer werdend, aber fixierter.
Darum ein Loblied der Neugier, die immer wieder mal irgendwo plötzlich geweckt werden könnte: Oft muss nur eine erste Frage provoziert werden: Wie, warum macht Ihr das so, und ganz anders als ich?
Was denkt Ihr Euch dabei? (Und ist das auch was für mich?).

Bitte erst damit anfangen, wenn wir für die gleichen Fragen an uns auch bereit sind. Aber vielleicht stossen wir ja auf so Tolerante und Verständige, die uns erst einmal sagen, was sie so toll finden an uns, sorry, an unserem Denken und Leben, nur so zum Beispiel.
Dann bleibt allenfalls ein leichtes Erröten, das gut in einem ersten Smalltalk aufgefangen werden kann, auf dass die Toleranzgrenzen zukünftig dort gesetzt werden können und auch sollen, wo sie für das Zusammenleben Aller auch hingehören.
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